Die Exporte der Schweizer Rüstungsindustrie sind im letzten Jahr um 30 Prozent auf den Rekordwert von 955 Millionen Franken gestiegen. Doch mit der internationalen Konkurrenz mithalten konnten die Schweizer Waffenschmieden nicht.
Das liegt unter anderem am Kriegsmaterialgesetz. Es verbietet direkte Lieferungen an Kriegsländer – entsprechend auch an die Ukraine und ihre Verbündeten.
Doch das Gesetz ist im Zuge der immer lauter werdenden Kritik aus zahlreichen europäischen Hauptstädten zunehmend unter Druck. Die Schweiz soll die Wiederausfuhr von Kriegsmaterial endlich erlauben, so der Tenor.
Der Standort Schweiz und die Glaubwürdigkeit unseres Landes haben massiv gelitten.
An vorderster Front für eine Lockerung des Verbots lobbyiert Stefan Brupbacher. Der Präsident des Branchenverbands Swissmem übt scharfe Kritik am Neutralitätsverständnis der Schweiz. «Der Standort Schweiz und die Glaubwürdigkeit unseres Landes haben massiv gelitten», sagt er.
Grund dafür sei «diese stark fehlgeleitete Diskussion, was Neutralität bedeutet». Und dabei habe das gar nichts mit Neutralität zu tun, so Brupbacher.
Investitionen vorerst aufgeschoben
Tatsächlich hat die Schweiz als Rüstungsstandort an Attraktivität eingebüsst. Ein Beispiel dafür ist Rheinmetall. Die deutsche Waffenschmiede entwickelt moderne Abwehrsysteme. Noch vor nicht allzu langer Zeit wollte das Unternehmen die Produktion in Zürich ausbauen.
Doch es kam anders. Auf Anfrage schreibt der Rüstungskonzern: Bevor man nicht wisse, welche politische Unterstützung Rheinmetall in Zukunft geniesse, müsse das Unternehmen seine Ausbaupläne zunächst zurückstellen. Das grösste Problem: die gesetzliche Auslegung beim Export.
Auch Ruag sieht «grosses Problem»
Ein Haus weiter das gleiche Bild: Ruag teilt schriftlich mit, dass die Unsicherheit rund um die Wiederausfuhr für das Unternehmen ein grosses Problem darstelle.
Tatsächlich scheiterte erst kürzlich ein Geschäft mit Rheinmetall. Der deutsche Rüstungskonzern bekundete Interesse an 96 Leopard-1-Panzern aus alten Ruag-Beständen mit dem Ziel, sie aufzumöbeln und an die Ukraine weiterzuliefern.
Doch das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco liess den Deal nicht zu. So scheint sich die Annahme zu bestätigen, dass die Schweiz bei Waffengeschäften aus Sicht ihrer Handelspartner an Verlässlichkeit eingebüsst hat.
«Auch die Kunden der Zulieferindustrie – dort werden viele Erfindungen und Innovationen gemacht – fragen sich zunehmend, ob noch aus der Schweiz geliefert werden kann», sagt Swissmem-Direktor Brupbacher.
Die Politik wird entscheiden müssen, was sie will
Doch wer nicht liefern kann, wird links liegen gelassen. Und wenn sich die Produktion von Kriegsmaterial nur dank der Nachfrage aus dem Ausland finanziell lohnt, wie das bei den Zulieferfirmen der Fall ist, hat das gravierende Folgen.
Denn in einer Welt mit komplexen und anfälligen Lieferketten und einem Krieg mitten in Europa kommt der eigenen Rüstungsindustrie eine steigende Bedeutung zu.
Amos Dossi vom Center for Security Studies an der ETH Zürich schreibt auf Anfrage: Die Politik werde sich bald festlegen müssen, welche Absatzmöglichkeiten und somit Entwicklungsperspektiven sie heimischen Rüstungs- oder Zulieferfirmen einräumen möchte. Ukrainekrieg hin oder her.