In Europa tobt ein Krieg, der Westen liefert Waffen an die Ukraine – und bei der Deutschen Bundeswehr klafft ein grosses Loch in der Ausrüstung.
Die Zeichen verdichten sich, dass Deutschland dieses künftig nicht mit Schweizer Munition stopfen mag. Die Weigerung der Schweiz, Deutschland eine Weitergabe von Munition für den Gepard-Panzer an die Ukraine zu erlauben, hat die deutsche Politik alarmiert. Lenke die Schweiz nicht ein – so heisst es laut «Tagesanzeiger» jetzt aus deutschen Regierungskreisen – suche man alternative Lieferanten.
Die Schweiz hatte zuvor Deutschland die Weitergabe von Gepard-Munition unter Berufung auf ihren Neutralitätsstatus verboten.
«Fatal für die Schweizer Rüstungsindustrie»
Sollte Deutschland tatsächlich in Zukunft auf Rüstungsdeals mit der Schweiz verzichten, «wäre das für die Schweizer Rüstungsindustrie fatal», sagt Ständerat Werner Salzmann (SVP). Deutschland ist mit Abstand grösster Abnehmer von Militärmaterial aus Schweizer Produktion.
«Aber ich denke, dass dies eine Drohung im Raum ist. Deutschland muss akzeptieren, dass wir ein Neutralitätsrecht haben», so Salzmann. Die allfällig betroffenen Schweizer Firmen wollen sich auf Anfrage von SRF nicht zum drohenden Exportstopp äussern.
«Die gesamten Rüstungsexporte machen lediglich 0.2 Prozent aller Exporte aus, die die Schweiz tätigt», sagt SP-Nationalrätin Priska Seiler-Graf. Das Preisschild könne sie nicht beziffern. Es sei aber generell keine Frage von Zahlen, sondern eine Frage des Grundsatzes. «Ein neutrales Land kann keine Waffen liefern in ein Konfliktland.»
Es wäre klüger, mehr in die zivile Produktion zu investieren.
Rüstungsexporte seien für ein neutrales Land stets ein Dilemma. «Es wäre darum klüger, wenn Rüstungskonzerne mehr in die zivile Produktion investieren. Denn Feintechnologie wird auch im zivilen Gebrauch stark nachgefragt», so Seiler-Graf.
Munitionsprobleme bei der Bundeswehr
Deutschland lenke damit wohl auch von eigenen Problemen ab, sagt Salzmann weiter. «Ihr Munitionsvorrat ist sehr klein und sie haben nicht genug moderne und gut ausgerüstete Waffen.» Auch SP-Nationalrätin Priska Seiler-Graf vermutet dies: «Die momentane gesetzliche Lage verbietet Waffenexporte in kriegsführende Länder – das wusste Deutschland, als sie das Geschäft mit der Schweiz abschloss».
Lina Seitzl, Abgeordnete der Regierungspartei SPD, weist diesen Vorwurf zurück: «Es ist offensichtlich, dass Deutschland einiges an Nachholbedarf hat betreffend Ausrüstung der Bundeswehr. Das wird in Deutschland aber sehr breit und transparent diskutiert. Insofern kann ich diesen Vorwurf aus deutscher Perspektive nicht bestätigen.»
Made in Germany statt made in Switzerland?
Dass Deutschland sich potenziell nach neuen Lieferpartner in Bezug auf Rüstungsgüter umsehen will, liess die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (deutsche FDP), aber bereits im November im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur durchsickern.
«Die Welt ist sicherheitspolitisch seit dem 24. Februar eine andere, und Deutschland muss umgehend bei der Bestellung von Munition die entsprechenden Lieferwege überprüfen, gegebenenfalls verändern oder anpassen», sagte Strack-Zimmermann. Und sie forderte: «Verlässlichkeit in dieser Situation ist unabdingbar.»
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hatte vergangene Woche eine krisenfähigere Struktur der Rüstungsindustrie gefordert. Militärmaterial müsse dann zur Verfügung stehen, wenn man es brauche.
Die Bundeswehr beschafft nach Bedarf.
Dies bestätigt auch Sarah Ruschel, Sprecherin des deutschen Verteidigungsministeriums: «Die Bundeswehr beschafft nach Bedarf. Entsprechende Endverbleibsregelungen spielen generell eine Rolle und werden auch zukünftig in der Beschaffung stärkere Berücksichtigung finden.»
Und das gleiche Verteidigungsministerium twitterte heute: «Die sicherheitspolitische Lage in Europa erfordert ein Umdenken.» Es veröffentlichte einen Vertragsabschluss für Selbstschutz für Luftfahrzeuge – «made in Germany».