Am Dienstag beginnt der Prozess gegen Pierin Vincenz. Der ehemalige Raiffeisen-Chef ist unter anderem wegen Betrug, Veruntreuung und Urkundenfälschung angeklagt. Der Fall Vincenz ist aber bei weitem keine Ausnahme. Immer wieder kommt es zu Skandalen in den Chefetagen der Banken. Weshalb ist die Finanzbranche besonders anfällig für derartige Eklats?
Die Risiken fallen zu spät an
«Ohne Risiko - kein Ertrag», besagt eine alte Weisheit. Heute benötige es aber mehr Risiko, um die gleichen Renditen zu erwirtschaften, sagt Manuel Amman, Finanzprofessor der Universität St. Gallen. Besonders wegen dem tiefen Zinsniveau sei der Druck gestiegen. «Es ist schwieriger geworden, mit sicheren Anlagen eine gute Rendite zu erwirtschaften.»
Die Risiken kommen oft später. Die Erträge fallen sofort an. Da kommt man in Versuchung, zu hohe Risiken einzugehen.
Neben dem gestiegenen Geschäftsdruck kommt eine zeitliche Differenz zwischen Risiko und Ertrag hinzu. Diese führt gemäss Ammann zu falschen Anreizen: «Die Risiken kommen oft später. Die Erträge fallen sofort an. Da kommt man in Versuchung, zu hohe Risiken einzugehen.»
Welche Charakterzüge sind gefragt?
Für den Wirtschaftspsychologen Christian Fichter hängen die Skandale direkt mit dem Geld zusammen. Wo es um Geld gehe, seien bei Führungskräften neben der Risikoneigung bestimmte Persönlichkeitseigenschaften gefragt. Diese Eigenschaften gehören zur dunklen - oder toxischen Triade.
Banker, die diese Persönlichkeitszüge aufweisen, können gemäss dem Wirtschaftspsychologen negative Folgen für die Institute haben: «Jemand mit diesen Eigenschaften könnte versucht sein, nicht nur für die Bank etwas Gutes zu erwirtschaften, sondern sich damit selbst zu bereichern.»
Der Experte betont aber auch, dass die toxische Triade nicht nur Schlechtes mit sich bringt. «Leute, die diese Eigenschaften haben, sind extrovertierter, offener und risikobereiter. Das sind Charakterzüge, die insbesondere im Finanzumfeld gefragt sind.»
Konkrete Massnahmen sind gefordert
Das Problem ist gemäss Fichter nicht neu. Und im Prinzip wisse man, was zu tun ist. Nur: In vielen Fällen sei es bisher nicht gelungen, diese negativen Eigenschaften zu kontrollieren. Was es brauche, sei ein «Sinneswandel, der sich in konkreten und belastbaren Massnahmen widerspiegelt».
Es braucht einen Sinneswandel, der sich in konkreten und belastbaren Massnahmen widerspiegelt.
Bei Führungskräften müssen die negativen Eigenschaften besser kontrolliert werden. Zudem werde es bei der Rekrutierung häufig verpasst, dass persönlichkeits-psychologische Merkmale überhaupt erst getestet werden, sagt Fichter. «Hier sollte dringend nachgebessert werden.»