Krisen-Rhetorik ist kontraproduktiv: Die Euro-Zone erlebt derzeit ein Déjà-vu. Die Angst vor einer Neuauflage der Griechenland-Krise grassiert. Auch der deutsche Ökonom Peter Bofinger erwartet «keine Wunderheilung» beim italienischen Patienten: «Es wird ein schwieriger Prozess.» Das «ohnehin nicht so richtig stabile System» im Euro-Raum werde durch die politischen Turbulenzen in Italien fraglos beeinträchtigt: «Man sollte aber keine Krise herbeireden.» Bofinger spricht sich für einen positiveren Geist bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Probleme in den Euro-Ländern aus – nicht nur in Italien. Alle Beteiligten hätten gemeinsame Interessen, die Probleme sollten partnerschaftlich gelöst werden.
Kooperation statt Konfrontation: Erinnerungen an die Griechenland-Krise werden auch wegen der politischen Entwicklung in Athen und Rom wach. Zumindest rhetorisch gibt es zwischen den griechischen Links- und italienischen Rechtspopulisten Parallelen, sagt Ökonom Bofinger: «Die Politiker pflegen einen ähnlich aggressiven Stil wie damals der griechische Premier Alexis Tsipras und Finanzminister Yanis Varoufakis.» Lega-Chef Salvini etwa wettert gegen «die starken Mächte, die ein versklavtes, verängstigtes und armes Italien wollen.» Den anderen Mitgliedern der Euro-Zone, vorab Deutschland, nun «ans Schienbein zu treten», hält der Ökonom aber nicht für ratsam: «Damit sind schon Tsipras und Varoufakis gescheitert.»
Italien braucht eine «positive Agenda»: Italien steuert auf Neuwahlen zu. Dort könnten die Euro-kritischen Kräfte sogar noch zulegen. «Das würde das Leben im Euro-Raum sicher schwieriger machen», übt sich Bofinger in Understatement. Und fügt an: «Von der italienischen Regierung würde ich mir wünschen, dass sie sich kritisch fragt: Warum läuft die Wirtschaft nicht, was kann man tun, damit die Wirtschaft angekurbelt wird und sich die Wettbewerbsfähigkeit verbessert?» Das Land solle sich eine «positive Agenda» mit Investitionen in Forschung, Bildung und die Infrastruktur verschreiben. Zudem gelte es, Hindernisse auf den Dienstleistungs- und Gütermärkten abzubauen: «Das wäre ein konstruktiverer Ansatz als zu sagen, wir halten uns nicht an die Regeln und eure Vorstellungen interessieren uns nicht.»
Die Südeuropäer sind keine schwarzen Schafe: Der Norden als Stabilitätsanker, der Süden voller Sorgenkinder: Diese Sichtweise hält der deutsche Ökonom für allzu einfach. Und: Schuldzuweisungen seien weder förderlich noch angebracht: «Damit sollte man vorsichtig sein.» Der Süden Europas sei in den letzten Jahren auf einen Wachstumskurs eingeschwenkt. Spanien etwa habe im Tourismus grosse Erfolge erzielt und verzeichne «ordentliche Wachstumsraten», auch in Griechenland gehe es voran. Schliesslich habe auch Italien unter der Regierung Renzi Reformen in Angriff genommen und etwa im Arbeitsmarkt bereits umgesetzt. «Es ist bedauerlich, dass jetzt politische Kräfte kommen, die diesen Wachstumsprozess nicht unterstützen», schliesst Bofinger.