Der Unmut bei den Mitarbeitenden der TX-Group ist gross. Mehr als hundert von ihnen haben sich heute aus Protest vor den Büros des Medienunternehmens in Zürich und Lausanne versammelt. Sie protestierten gegen den angekündigten Stellenabbau bei den Tamedia-Zeitungen und bei «20 Minuten» sowie bei «20 minutes».
Die Medienschaffenden haben unruhige Monate hinter sich. Mehrmals kursierten neue Details zum Stellenabbau und wurden neue Zahlen kommuniziert. Erst vergangene Woche kündigte die TX-Group an, dass bei «20 Minuten» 35 Stellen abgebaut werden – 28 davon in der Romandie und sieben in der Deutschschweiz.
Einnahmen aus der Werbung fehlen
Wie andere Medienhäuser kämpft auch die TX-Group mit fehlenden Werbegeldern. Zwar erholen sich die Werbeerträge seit dem Ausbruch der Coronapandemie, «sie liegen aber insgesamt noch unter dem Vorpandemieniveau von 2019», wie es im am Montag veröffentlichen Jahrbuch der Medien 2023 von der Universität Zürich heisst.
«Wir gehen durch eine sehr herausfordernde Transformation», sagt Bernhard Brechbühl, Geschäftsführer von «20 Minuten». Im Print brächen die Werbeerlöse weg, derweil könnten die Verluste digital nicht wettgemacht werden. Der angekündigte Stellenabbau sei nötig, um Kosten zu sparen, erklärt er.
Wegen des schwächelnden Werbemarkts suchen Zeitungen neue Wege, die Einnahmen zu steigern. So hat der «Blick» im Juni eine Paywall für sein Onlineangebot eingeführt. Ein ähnlicher Schritt wäre für «20 Minuten» nur schwer denkbar. Kostenlose Nachrichten sind Teil der Marken-DNA. Die Pendlerzeitung liegt seit jeher gratis in den blauen Boxen.
Medienwissenschaftler Vinzenz Wyss glaubt nicht, dass Gratiszeitungen und kostenlose News-Portale wie «20 Minuten» langfristig überleben können. «Lange hatte man das Gefühl, dass möglichst viel Reichweite interessant für die Werbewirtschaft ist», sagt der Professor von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. «Aber dieses Geschäftsmodell ist gescheitert, weil die Medien riesige Konkurrenz von sozialen Plattformen haben. Diese können mehr Reichweite garantieren und sind attraktiver für die Werbewirtschaft.»
Lösungen gesucht
Social-Media-Plattformen wie Instagram oder Tiktok sind für die Medien zweischneidig. Einerseits erreichen sie dort neues Publikum, andererseits veröffentlichen sie ihre Inhalte darauf kostenlos und kommen so nicht an Werbegelder. «20 Minuten» fährt seit 2022 eine «Social-Media-first-Strategie». Die Inhalte landen vermehrt zuerst auf den Plattformen statt in der eigenen App oder in der Zeitung.
Medienprofessor Wyss sieht hier das sogenannte Leistungsschutzrecht als kurzfristige Lösung für die Medien. Ein solches Gesetz sieht vor, dass die Social-Media-Unternehmen die Medien für ihre Inhalte abgelten. Allerdings gibt es in der Politik erst einen Entwurf für ein solches Gesetz.
Eine andere Lösung wäre laut Wyss, dass die Redaktionen durch andere, profitable Geschäftsfelder in den Medienunternehmen querfinanziert würden. «Das würde einer Gesellschaft wie der Schweiz guttun», sagt er.
Chef gibt sich zuversichtlich
20-Minuten-Chef Brechbühl glaubt hingegen daran, dass Gratiszeitungen auch weiterhin überleben können. «Es wird immer werbefinanzierte, erfolgreiche Angebote geben.» Für die Angestellten, die ihren Platz in der Redaktion räumen müssen, dürfte dieser hoffnungsvolle Ausblick wohl nur ein schwacher Trost sein.