Zum Inhalt springen

Steigende Prämien Umfrage: Eine Million Menschen haben die Krankenkasse gewechselt

  • 12 Prozent aller in der Schweiz lebenden Personen haben ihre Grundversicherung per Anfang Jahr gewechselt.
  • Das geht aus einem jüngst veröffentlichten Bericht des Beratungsunternehmens Deloitte hervor.
  • Weitere 18 Prozent blieben zwar bei ihrer Krankenkasse, änderten aber ihre Franchise oder ihr Versicherungsmodell.

Ende September 2023 verkündete Ex-Bundesrat Alain Berset den Prämienhammer: Um 8.7 Prozent werden die Krankenkassenprämien im Jahr 2024 steigen.

Jetzt zeigt ein jüngst veröffentlichter Bericht: Über eine Million Menschen in der Schweiz sollen vor allem wegen des Prämienanstiegs die Krankenkasse ab Anfang Jahr gewechselt haben.

Details zur Umfrage

Box aufklappen Box zuklappen

Die Befragung wurde von dem Markt- und Meinungsforschungsinstitut Yougov im Auftrag von Deloitte durchgeführt. An der repräsentativen Umfrage nahmen rund 1250 Personen von 18 bis 79 Jahren teil, 49 Prozent davon waren weiblich. Das Ziel von Deloitte war es, dass Krankenversicherer daraus «Erkenntnisse für ihre Ausrichtung und zukünftige Entwicklungen» ableiten könnten, wie es im Bericht heisst.

Zur Umfrage und dem kompletten Bericht geht es hier .

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt jedoch: Solche Umfragen und Hochrechnungen sind mit Vorsicht zu geniessen. Nach dem Prämienhammer prophezeite das Vergleichsportal Bonus, dass zwischen 15 und 23 Prozent der Versicherten einen Kassenwechsel planten. Bereits zwei Monate später rechnete das Vergleichsportal Comparis einen Anteil von 15 Prozent der Versicherten.

Ende Januar schraubte der Krankenkassenverband Santésuisse die Zahl noch einmal herunter und rechnete mit 800'000 Menschen, die die Krankenkasse wechseln. Das entspricht rund 8.8 Prozent aller Versicherter.

Zahlen des Bundes sehen anders aus

Auch Gesundheitsökonom Andreas Kohler von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) ist den Angaben von Deloitte gegenüber skeptisch. Er verweist auf die Zahlen des Bundes. Denn jede Krankenkasse muss die Daten zu Wechsel dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) aushändigen.

Was auffällt: Deloittes Wechselquote war mit Ausnahme des Jahres 2019 stets höher als die Zahlen des Bundes.

Das Problem an den offiziellen Zahlen ist aber, dass sie teils um Jahre verspätet veröffentlicht werden. Die tatsächlichen Wechsel für 2024 werden also wohl erst in einigen Jahren bekannt werden.

Concordia top, Assura flop

Die Wechselbereitschaft aufgrund der höheren Prämien hat bei den zwölf grössten Krankenkassen in der Schweiz für deutliche Verschiebungen gesorgt. Zum Beispiel gewann Concordia dieses Jahr laut den von Deloitte zusammengetragenen öffentlich zugänglichen Daten netto 71'000 Kundinnen und Kunden in der Grundversicherung hinzu.

Die meisten Abgänge verzeichnete Assura mit einem Minus von netto 115'000 Versicherten. Damit setzte sich beim Westschweizer Versicherer der Negativtrend der vergangenen Jahre fort.

Dass Menschen in der Schweiz ihre Krankenkasse wechseln, ist nichts grundsätzlich Schlechtes. Zum einen heizt das den Wettbewerb unter den Krankenkassen an, das passendste Produkt für die Kundschaft zusammenzustellen.

Zum anderen kann ein Wechsel laut dem Leiter Krankenversicherung von Deloitte, Marcel Thom, die Solvenz der Krankenkasse steigern. Wechselt beispielsweise ein Kunde, der das gesamte Jahr über nicht krank war, seine Krankenkasse nach nur einem Jahr, hat die Kasse schliesslich die monatlichen Prämien erhalten, ohne Leistungen vergütet zu haben.

Prämien allein nicht mehr ausschlaggebend für Wechsel

Box aufklappen Box zuklappen

Gemäss Marcel Thom gibt es drei Gründe, warum die Menschen heutzutage die Krankenkasse wechseln. Der «absolut dominante Faktor» sind die Kosten, also die Prämien. Zweitens spielen schlechte Erfahrungen der Kundschaft mit den Krankenversicherern mit. Und drittens wechseln die Menschen in der Schweiz auch die Krankenkassen, wenn eine Vertrauensperson ihnen eine Empfehlung abgibt.

In den letzten Jahren aber zeichnet sich laut Thom ab, dass die Prämienlast allein nicht mehr hauptverantwortlich für einen Krankenkassenwechsel ist. Der Service spiele eine zusehends wichtigere Rolle. «Der Preis ist der Triggerpunkt. Er muss aber mit gutem Service kombiniert sein», sagt Thom.

Die Krankenkasse kann die Mittel der Wechsler anderweitig für ihre Versicherten einsetzen. Denn Gewinn dürfen Krankenkassen in der Grundversicherung keinen machen: Sämtliche Prämieneinnahmen kommen der Kundschaft zugute.

Allerdings sind solche Wechsel auch immer mit administrativem Zusatzaufwand verbunden. Gemäss dem Bericht machen aber die gesamten Verwaltungskosten der Krankenversicherer nur fünf Prozent der Gesamtkosten der Krankenversicherer aus. Der Aufwand für die Wechsel dürfte nur ein Bruchteil davon sein.

Wer die Krankenkassen wechselt

Box aufklappen Box zuklappen

Doch wer wechselt eigentlich die Krankenkasse? Mathis Scheller vom Vergleichsportal Bonus sagte vergangenen November gegenüber SRF, dass die Versicherten sich einen Wechsel der Krankenkasse ernsthaft überlegen, wenn sie mehr als 300 Franken sparen könnten.

Gesundheitsökonom Kohler würde allerdings nicht alle Menschen in denselben Topf schmeissen. Diese Zahl gelte eher für gesunde Menschen, die preissensibler auf Prämienerhöhungen reagieren und den Aufwand nicht scheuen, sich «durch die Vergleichsportale durchzukämpfen», so Kohler. Für chronisch Kranke hingegen ist ein Sparpotenzial von 300 Franken «vernachlässigbar», weil für sie die Dienstleistungsqualität wie Kundenberatung oder eine einfache und zeitnahe Rückerstattung eine grössere Rolle spielt.

Was hinzukommt: Gemäss aktuellsten Zahlen des Bundes von Anfang 2022wechselten unter 26- bis 45-Jährige die Krankenkasse dreimal häufiger als über 45-Jährige.

10vor10, 11.06.2024, 21:50 Uhr

Meistgelesene Artikel