Adrian Scheidegger kommt ins Schwärmen, wenn er von seinem Käse spricht: «Er hat einen reinen Geschmack, schmeckt fruchtig. Es ist eine Vielfalt von Aromen.» Scheidegger stellt nicht irgendeinen Käse her: Der Käser aus Niedermuhren (FR) macht «Le Gruyère». Er ist einer von rund 200 offiziellen Gruyère-Produzentinnen und -Produzenten in der Schweiz.
Wer in der Schweiz Käse mit dem Namen «Le Gruyère AOP» produzieren und verkaufen will, muss strenge Auflagen erfüllen. In einem Pflichtenheft sind seit rund 20 Jahren Verfahren und Bedingungen festgelegt: Wo darf Gruyère produziert werden? Wie gross und schwer müssen die Käselaibe sein? Was dürfen die Kühe essen, die den Rohstoff Milch liefern?
«Andere Länder könnten nun nachziehen»
Seit zehn Jahren ist «Le Gruyère» auch in der EU und Grossbritannien als geschützte Ursprungsbezeichnung anerkannt. Schwieriger ist es im Rest der Welt. Vor einem Monat entschied ein US-amerikanisches Gericht: «Gruyère» kann als Marke nicht geschützt werden. Begründung: «Gruyère» steht in den USA allgemein für eine Sorte Hartkäse. Wo und wie der Käse produziert wurde, spielt keine Rolle.
«Das Urteil macht mir Sorgen», sagt Philippe Bardet. Er ist Direktor der Sortenorganisation «Le Gruyère». «Ich habe Angst, dass nun andere Länder zum gleichen Schluss kommen könnten wie die USA.» Als Beispiele nennt er Australien, Neuseeland oder südamerikanische Länder. «Der Einfluss der USA dort ist gross. Sie könnten Druck machen, dass auch in diesen Ländern Gruyère als Marke nicht anerkannt wird.»
Jeder achte Schweizer Gruyère-Laib wird in den USA verkauft
Die USA sind nach der Schweiz und Europa der drittwichtigste Absatzmarkt: Im Schnitt wird jeder achte Schweizer Gruyère in die USA exportiert; 2021 wurden dort über 4100 Tonnen «Le Gruyère» verkauft. Ganz vom Tisch ist der Markenstreit auch nach dem jüngsten Gerichtsurteil aber noch nicht. Die Sortenorganisation könnte den Entscheid noch beim höchsten US-Gericht, beim Supreme Court, anfechten.
Für Philippe Bardet macht dies aber wenig Sinn. Erstens, weil der Supreme Court ganz grundsätzlich nur wenige Rekurse behandle, zweitens, weil die Chancen für einen Sieg – wenn das Gericht sich des Rekurses annehmen würde – gering seien. «Das Gericht fällt seine Entscheidungen dem Prinzip ‹America first›. Ein Erfolg ist also unwahrscheinlich.»
Aufgeben ist keine Option
Ob und wie der juristische Kampf in den USA weitergehen soll, muss die Sortenorganisation formell noch entscheiden. Laut Philippe Bardet läuft es aber darauf hinaus, dass man sich das Geld, das ein weiteres Verfahren kosten würde, lieber spart und ins Marketing investiert. «Die Amerikanerinnen und Amerikaner sollen merken: Der echte Gruyère kommt aus der Schweiz. Alles andere ist Fake.»
Der echte Gruyère kommt aus der Schweiz. Alles andere ist Fake.
Zwei Millionen Franken investiert die Sortenorganisation «Le Gruyère» in den US-Markt: Mit Werbekampagnen, Videos in den sozialen Medien und Degustationen sollen Amerikanerinnen und Amerikaner vom Schweizer Gruyère überzeugt werden. Auch Käser Adrian Scheidegger aus Niedermuhren ist überzeugt, dass der Schweizer Käse auf dem US-Markt gute Chancen hat – Markenschutz hin oder her: «Wer den originalen Geschmack kennt, entscheidet sich für unseren Gruyère.»