Ein kürzlich veröffentlichtes Ranking eines Onlinemagazins zu den besten Käsesorten der Welt dürfte bei helvetischen Leserinnen und Lesern Irritationen auslösen. Während Italien die Top Ten dominiert, schaffen es aus der Schweiz gerade mal drei (!) Käsesorten in die Top 50. Gar Käsesorten aus Polen, Brasilien oder Portugal landen vor hiesigen Produkten.
Viele Italiener an der Spitze
Parmesan, Grana Padano, Pecorino: Es sind die grossen Klassiker der italienischen Küche, die es in der Rangliste von «TasteAtlas» ganz nach vorne schaffen. Etwas überraschend landet mit dem Queijo de Serra da Estrela ein portugiesischer Vertreter in der Top Ten. Für die erste Schweizer Vertretung muss man lange suchen: Der Gruyère kommt auf Rang 29. Noch weiter hinten landen der Appenzeller (Platz 39) und der Tête de Moine (Platz 41).
Auch eine andere grosse Käsenation kommt in der Bewertung von «Taste Atlas» nicht gut weg: Frankreich. Bei unserem westlichen Nachbarn löste die Nachricht Entrüstung aus. Der grösste TV-Sender des Landes, TF1, widmete der Angelegenheit einen eigenen Artikel mit dem Titel: «Kein einziger Franzose unter den besten der Welt – wurde hier manipuliert?».
«Es ist sicher kein Zufall, dass Italien beim Ranking oben dabei ist», erklärt Martin Spahr von der Branchenorganisation Switzerland Cheese Marketing. Würde man etwa das Ranking zu den besten Käsesorten aus Zentraleuropa auf der gleichen Seite heranziehen, stehe die Schweiz plötzlich viel besser da.
Das vergleichsweise schlechte Abschneiden hiesiger Käsesorten bereitet ihm darum keine Sorgen. «Die Arbeit unserer vielen Käsereien im Land wird im Ausland sehr wohl geschätzt.» Bei den Käse-Weltmeisterschaften, die im vergangenen November im walisischen Newport stattfanden, habe die Schweiz sehr gut abgeschnitten. Selbiges gelte für den jährlich stattfindenden World Championship Cheese Contest im US-Bundesstaat Wisconsin.
Der Trend ist nicht auf Schweizer Seite
Lange lief es geschäftlich gut für die Schweizer Branche. 2021 war ein Rekordjahr: 82'500 Tonnen des Milchprodukts verliessen hiesige Käsereien. Das waren knapp 7 Prozent mehr als im Vorjahr. Doch im vergangenen Jahr gingen die Zahlen erstmals seit langem wieder runter.
Hauptgrund für die Baisse dürften die vergleichsweise hohen Preise für Schweizer Produkte in wirtschaftlich ungewissen Zeiten gewesen sein. Das hat vor allem in Deutschland auf das Ergebnis gedrückt.
Doch auch Trends innerhalb der Branche deuten auf Schwierigkeiten hin. Immer beliebter werden nämlich Frisch- und Weichkäsesorten, die als gesünder wahrgenommen werden. Ein Problem für hiesige Hersteller – sie setzen seit jeher eher auf härtere Varianten.
«Die Branche hat das erkannt und sieht beim Weichkäse Aufholpotenzial», sagt Julia Spahr, Kulinarik-Expertin bei der Zeitung «Schweizer Bauer» und Jurorin an den letztjährigen World Cheese Awards. Dennoch glaubt sie, dass das hiesige Käsehandwerk in der Welt weiterhin ein grosses Ansehen geniesst.
Etwas, das auch Marcello Basini, Geschäftsführer von zwei Shops des Schweizer Käse-Labels Jumi in London, beobachtet. «Es kommt häufiger vor, dass Kundinnen und Kunden nach einer bestimmten französischen oder italienischen Käsesorte fragen, wenn sie zu uns kommen. Die sind dann ganz erstaunt, wie viele Schweizer Alternativen es gibt.»