Riesige Gefrierschränke in einem schmuck- und fensterlosen Raum. Das ist Noam Shanis Reich. Nichts deutet darauf hin, dass hier ein grosser Schatz liegt. Tausende Bakterienstämme in kleinen Plastikgefässen lagern in den Schränken. Es ist die DNA des Schweizer Käses. Noam Shani deutet auf einen Tiefkühler: «Die ältesten Bakterien sind über zwanzig Jahre alt.»
Ob Emmentaler, Greyerzer oder Raclettekäse: Bakterien sind bei der Käseproduktion essenziell. Sie säuern die Milch, sind wichtig für den Geschmack, lassen den Käse reifen. Jede Käsesorte hat ihre eigene Bakterienmischung.
Wir können prüfen, ob es wirklich ein Tête de Moine ist. Fälschungen sind fast unmöglich.
Im Lager der Agroscope, dem Kompetenzzentrum für Agrarforschung des Bundes, «schlafen» neunzig Prozent aller Schweizer Käsebakterien, wie Mikrobiologe Shani sagt. Nicht nur gefroren, sondern auch gefriergetrocknet. «Dann sind sie noch länger haltbar.» Die ältesten Bakterien wurden in den 1930er-Jahren isoliert. «Viele sind aus Käsereien, die es längst nicht mehr gibt.»
Die Bakterien seien wichtig für die hiesige Käsebranche, erklärt Noam Shani. So wichtig, dass Sicherheitskopien aller Bakterienstämme an einem weiteren Standort gelagert werden. «Für den Fall, dass die Gefrierschränke mal aussteigen sollten.» Ausserdem helfen die Bakterien im Kampf gegen Fälschungen: «Wir können prüfen, ob ein Käse echt ist, ein deklarierter Tête de Moine auch wirklich einer ist. Fälschungen sind fast unmöglich.»
So kommen die Löcher in den Käse
Im Kompetenzzentrum im Liebefeld bei Bern werden aber nicht nur Bakterienkulturen gelagert, sondern es wird auch getüftelt. In der hauseigenen Käserei werden neue Bakterienstämme für bestehende Sorten ausprobiert. «Im Auftrag der Milchbranche», wie Lebensmitteltechnologe Christoph Kohn erklärt.
Anders als in den meisten Käsekellern des Landes, werden die Laibe im Forschungszentrum immer kleiner: Sie werden regelmässig analysiert, zum Beispiel durch Verkostung. Mit Röntgengeräten werden die Käse auf Löcher untersucht.
Die Forschenden beraten und helfen Käsereien bei Problemen weiter. Zum Beispiel als bei einigen Käsesorten die Löcher über Jahre immer rarer wurden. «Wir haben festgestellt, dass die Milch heute zu sauber ist», so Kohn. «Es braucht Staubpartikel in der Milch, damit sich Löcher im Käse bilden.» Die Lösung der Forschenden des Agroscope: Heublumenpulver. «Fügt man das in ganz kleinen Mengen der Milch bei, kann man die Lochbildung steuern.»
Das Forschungszentrum berät nicht nur Käsereien bei Problemen, sondern beliefert sie auch mit Bakterienkulturen. «Aber nur in der Schweiz», so Christoph Kohn. Die Bakterien dürfen nicht ins Ausland weitergereicht werden.
Der Grund: Die Schweizer Milchbranche ist Miteigentümerin der Käsekulturen im Liebefeld. «Die Bakterien machen den Schweizer Käse besonders.» Sie sind ein Wettbewerbsvorteil, ist Kohn überzeugt. «In kaum einem anderen Land gibt es eine solche Sammlung von regionalen und historischen Bakterienkulturen.»