Immobilienhändlerinnen wie Claudia Tresch, Chefin des Immobilienbüros Engel & Völkers in Ascona, reiben sich derzeit die Hände: «Es ist definitiv so, dass die Feriendestination Ascona dank Corona wieder neu entdeckt und ästimiert wurde. Aus diesem Grund verzeichnen wir eine ausserordentlich hohe Nachfrage nach Ferienimmobilien im Tessin.»
Viele Leute hätten Angst, ins Ausland zu reisen. Sie haben sich deshalb entschieden, ihren Ferienwohnsitz ins Tessin zu verlagern. Es seien vor allem Menschen um die 50, die derzeit im Tessin einen Zweitwohnsitz kauften. Tresch geht davon aus, dass dieser Kaufboom anhält. Nicht zuletzt auch wegen der weiterhin negativen Bankzinsen, die das klassische Geldsparen auf dem Bankkonto unattraktiv machen.
Leerstehende Wohnungen in Lugano
Dieser Run auf Tessiner Zweitwohnungen im Raum Ascona und Locarno wird hart kontrastiert von haufenweise leerstehenden Mietwohnungen, besonders im Raum Lugano. Je nach Strasse hängt dort an jedem zweiten Quartierblock ein «Affitasi»-Schild, also ein «Wohnung zu vermieten»-Schild. Es sind häufig sanierungsbedürftige Wohnungen und Häuser, erbaut in den 1970er-Jahren, die heute leer stehen.
Von einem Boom ist das Tessin bei den Mietwohnungen derzeit nämlich weit weg. Dennoch haben die Investoren hier wie auch an anderen Orten in der Schweiz kräftig gebaut. Die Folge davon ist wachsender Leerstand. Gemäss Bundesamt für Statistik verzeichnet der Südkanton letztes Jahr nach dem Kanton Solothurn die schweizweit höchste Leerstandsquote.
Dauerhaft dort wohnen will kaum jemand
Fabio Guerra, Tessiner Immobilienspezialist bei Wuest Partner, sagt dazu: «Das Tessin hatte in den letzten fünf Jahren eine sehr schwache Dynamik in Bezug auf die Bevölkerungsentwicklung. Das führt dazu, dass viele Angebote auf dem Markt bleiben. Die Leerstände sind gestiegen.»
Der Kanton leide an einem Bevölkerungsschwund. Im Tessin Ferien machen oder eine Zweitwohnung kaufen, das wollen zwar viele. Dauerhaft im Tessin zu leben ist derzeit aber wenig gefragt.