Die Zahlen: Chefinnen und Chefs grosser Schweizer Firmen sind im Schnitt 56-jährig. 2010 lag dieser Wert für Spitzenmanager noch drei Jahre tiefer. Dies geht aus einer Untersuchung von Führungskräfte-Vermittler Guido Schilling hervor. Auch Verwaltungsrätinnen und -räte sind heute im Schnitt älter: 60 Jahre (2010: 58 Jahre). Zugleich haben Jüngere mehr Mühe, ein VR-Mandat zu erhalten: 2010 waren 15 Prozent der Verwaltungsrats-Mitglieder jünger als 50 Jahre, heute sind es noch neun Prozent. Der Anteil der über 70-Jährigen hat sich im selben Zeitraum verdoppelt, von drei auf sechs Prozent. Guido Schillings Fazit: «Noch nie hatten wir in der Schweiz im Durchschnitt so alte Konzernchefs und Verwaltungsräte wie heute».
Die Gründe: Die Welt sei komplexer geworden, vielschichtiger, sagt Luisa Delgado, die in mehreren Verwaltungsräten sitzt, unter anderem bei Swarovski, Ikea und beim Spielwarenhersteller Schleich. «Deshalb ist vielschichtige Erfahrung ein sehr wichtiger Beitrag.» Zugleich dürften das wirtschaftlich anspruchsvolle Umfeld und geopolitische Unruhen eine Rolle spielen. Laut Guido Schilling versuchen Verwaltungsräte in solchen Situationen, auf bewährte Rezepte zu setzen. «Damit verbunden haben sie mehr und mehr den Anspruch, dass jemand Erfahrung mit diesen Rezepten mitbringt.»
Ein Gremium läuft Gefahr, neue Trends weniger zu erkennen, weil die Neugier fehlt.
Die Nachteile: Die gibt es laut Luisa Delgado durchaus, dann nämlich, wenn ältere Gremien die Bodenhaftigkeit und die Relevanz des Zeitgeistes verlieren. Es sei einfach, sagt sie, in einem Sitzungssaal Powerpoint-Präsentationen anzuschauen, dem Management zuzuhören und dann zu entscheiden. «Aber das kann weit weg sein von der Realität, vom Markt, der sehr schnell ist, von jungen Generationen, die ganz andere Konsumenten sind als die älteren». Guido Schilling ergänzt: «Qualität und Erfahrung werden höher gewichtet als Potenzial und Talent». Dies habe seinen Preis: «Ein solches Gremium läuft Gefahr, neue Trends weniger zu erkennen, weil die Neugier fehlt.»
Das hat fast nur Vorteile.
Die Vorteile: Beat Hess, der über viele Jahre unter anderem den Verwaltungsräten von Nestlé, Holcim und Sonova angehörte, sieht es anders. Es habe fast nur Vorteile, dass erfahrene Personen in den Verwaltungsräten sitzen. «Sie bewahren Ruhe in einer Krisensituation, wissen, wie man sich in schwierigen Situationen verhält.» Dass sich jüngere Generationen bei manchen Themen, etwa bei künstlicher Intelligenz, besser auskennen, ändert nichts an seiner Einschätzung: «Man kann ja auch Leute beiziehen, die das nötige Fachwissen haben». Und die geistige Fitness? «Natürlich, ich würde übertreiben, wenn ich sage, dass man gleich fit ist wie mit 30», sagt er, «aber die Leute sind heute im Alter fitter als früher». Hess liess sich erst mit 74 Jahren pensionieren. Dass sein Wissen in Weltkonzernen so lange über das Pensionierungsalter gefragt war, unterstützt seine Sichtweise.