In den USA kommt es seit mehreren Wochen immer wieder zu lauten Protesten gegen den Elektroautobauer Tesla von Firmenchef Elon Musk. Auf Videos sieht man Leute, die wutentbrannt auf Teslas einschlagen oder sie sogar anzünden. Es gibt Aufrufe zum Tesla-Boykott: «Verkauft eure Autos, verkauft eure Aktien!»
Man kann bei Tesla wirklich von einer Krise sprechen.
Nicht nur das: Die Verkäufe von Tesla brachen im Januar ein – in den USA, in Europa und auch in der Schweiz. Es mag sein, dass der eine oder andere auf ein überarbeitetes Tesla-Modell wartet, das diesen Sommer auf den Markt kommen dürfte. Es ist allerdings fraglich, ob das die Verkäufe nachhaltig ankurbeln und die ausgebliebenen Verkäufe aufholen wird.
Schliesslich stürzte diese Woche auch die Aktie innerhalb weniger Stunden um 15 Prozent ab. «Ich glaube, man kann bei Tesla wirklich von einer Krise sprechen», sagt SRF-Wirtschaftsredaktor Stefan Frühauf, der selbst Tesla fährt. Seit dem Höchststand Mitte Dezember direkt nach den US-Wahlen habe Tesla fast die Hälfte des Börsenwerts verloren.
Komme hinzu, dass die Firma Schwierigkeiten hätte, qualifiziertes Personal zu finden, fügt Frühauf an. «Es ist uncool geworden, für Tesla zu arbeiten.» Der E-Autobauer verliere etwas den Innovationsvorsprung.
Der in Ungnade gefallene
Ein zentraler Faktor für den Abschwung bei Tesla ist Firmenchef Elon Musk. Als sogenannter besonderer Regierungsangestellter ist Musk mitverantwortlich für die Massenentlassungen bei diversen US-Behörden. Nicht zuletzt ist er auch wegen seiner Nähe zu Trump bei vielen in Ungnade gefallen – so stark, dass eben dieser Freund Musk kurzerhand prominent in Schutz nimmt.
Für einige sind Tesla-Autos zum Symbol der Politik von Trump und Musk geworden. Manche schämen sich, plötzlich Tesla zu fahren und kleben Sticker auf ihr Auto mit der Aufschrift «Ich kaufte das, bevor Elon irre wurde.»
Doch welche langfristigen Auswirkungen haben der Shitstorm und die Boykottaufrufe wirklich für Tesla? Wirtschaftsredaktor Stefan Frühauf sagt, solche Boykottaufrufe gegen einen internationalen Player wie Tesla seien selten global koordiniert. Die entscheidende Frage sei deshalb: Wie lange halten sie an?
Nestlé, Starbucks und VW
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Shitstorm oder eine Empörungswelle unter Konsumentinnen und Konsumenten international Schlagzeilen macht. Auch gegen andere grosse Marken wie zum Beispiel Nestlé, Starbucks, Abercrombie & Fitch oder Nike gab es schon Boykottaufrufe, weil die Kundschaft ein Zeichen und das Unternehmen unter Druck setzen wollte.
In manchen Fällen führten die Boykotte zu Reformen, in anderen Fällen zu einem längerfristigen Imageschaden oder finanziellen Einbussen. In den meisten Fällen aber hält die Wut der Konsumentinnen und Konsumenten nicht ewig an – so auch 2015 bei VW.
Die wenigsten, die heute einen VW kaufen, denken noch an den Abgasskandal.
Der deutsche Autohersteller hatte mittels Software die Abgaswerte von Millionen von Fahrzeugen manipuliert, sodass sie auf dem Papier weniger CO₂ ausstiessen als in Wirklichkeit – das ging als sogenannter Abgasskandal in die Geschichte ein. Auch damals verloren die VW-Aktien innert weniger Stunden 40 Prozent ihres Wertes, die Verkaufszahlen brachen ein. VW musste Milliarden Schadenersatzzahlungen leisten.
«Wenn man heute einen VW anschaut, dann denken wohl die wenigsten noch an den Abgasskandal», sagt Frühauf. «Mal schauen, ob das bei Tesla in ein paar Monaten dann ähnlich sein wird.»