Russisches Erdöl und raffinierte Produkte wie Benzin und Heizöl – seit Ausbruch des Ukraine-Krieges sind sie im Westen geächtet. Importe nach Europa auf dem Seeweg sind verboten. Ausserhalb Europas darf das Öl nur zu einem maximalen Preis von 60 Dollar pro Fass gehandelt werden.
Auch die Schweiz hat sich diesen Sanktionen angeschlossen. Dennoch sind Konzerne mit Sitz in der Schweiz nach wie vor Abnehmer von russischen Erdölprodukten.
Das zeigen Recherchen der «Financial Times», die auf russischen Zolldaten basieren. Der in der Westschweiz tätige Handelskonzern Gunvor zum Beispiel habe zwischen Januar und April Erdölprodukte aus Russland im Wert von 540 Millionen Dollar bezogen. Damit sei er der achtgrösste Abnehmer weltweit.
Der Rohstoffhändler Vitol, ebenfalls in der Westschweiz tätig, soll auf einen Warenwert von etwa 400 Millionen Dollar kommen und auf Platz 10 liegen.
Handel um bis zu 90 Prozent reduziert
Die Konzerne mit Sitzen in Genf bestätigen die Zahlen gegenüber SRF nicht. Gunvor bezeichnet sie als zu hoch. Eigene Daten zeigten, dass die Firma im betreffenden Zeitraum Produkte im Wert von 330 Millionen Dollar bezogen habe. Seit Kriegsbeginn habe Gunvor den Handel mit russischem Rohöl eingestellt und jenen mit Erdölprodukten um mehr als 80 Prozent reduziert – womit man heute zu den kleineren Händlern gehöre.
Auch der Rohstoffhändler Vitol schreibt, man habe die russischen Aktivitäten reduziert. Die Mengen an gehandeltem russischen Rohöl und Produkten seien um über 90 Prozent gesunken und nun minimal.
Mit den Sanktionen ist der ohnehin schon sehr intransparente Sektor noch viel intransparenter und gefährlicher geworden.
Moralisch fragwürdig sei das Geschäft trotzdem, sagt Robert Bachmann von der NGO Public Eye. Das eigentliche Ziel der Sanktionen – die Einkünfte des russischen Staats einzuschränken – werde zwar bis zu einem gewissen Punkt erreicht. «Das Problem ist einfach, dass mit den Sanktionen der sowieso schon sehr intransparente Sektor, der Rohstoff-Handelsplatz, noch viel intransparenter und gefährlicher geworden ist.»
Rohstoffexpertin Cornelia Meyer bestätigt, dass die Sanktionen auch negative Folgen haben könnten. Denn das russische Erdöl werde nach wie vor auf dem weltweiten Markt gehandelt – einfach über Umwege. Etwa über China und Indien, die Erdöl mit einem Discount kaufen, sich aber nicht an die Sanktionsbestimmungen halten».
Vor allem Indien habe sehr viel Öl raffiniert und verkaufe es dann als indisches Öl weiter nach Europa. Tatsächlich haben sich die monatlichen Lieferungen von russischem Rohöl nach Indien und China auf dem Seeweg seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs Anfang 2022 vervielfacht.
Die Überwachung der Branche sei dadurch schwieriger geworden, sagt Bachmann. «Public Eye» sieht das Schweizerische Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) in der Pflicht. Wer mit russischem Erdöl handle, müsse in anderen Ländern nachweisen, dass der Preisdeckel eingehalten werde und entsprechende Verträge aufbewahren – in der Schweiz gelte das nicht. «Bei den wirklich schlechten Erfahrungen, die wir mit Rohstoffunternehmen in den letzten zehn und mehr Jahren gemacht haben, ist das bei Weitem nicht ausreichend», so das Seco.
Der Bund hingegen sagt, diese Anforderungen zur Dokumentation seien für die Unternehmen rechtlich nicht verpflichtend. Und weiter: «Aufgrund der engen internationalen Verflechtung der Branche hat die Schweiz darauf verzichtet, zusätzlich eigene Dokumentationsanforderungen zu veröffentlichen.»