Darum geht es: Am 2. März überraschten zwei Medienberichte die Öffentlichkeit. Die britische Financial Times schrieb: Ein deutscher Vertrauter Wladimir Putins sei dabei, einen Deal mit den USA auszuhandeln, um Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen. Gleichzeitig berichtete die deutsche «Bild-Zeitung», es liefen Gespräche zwischen einem prominenten US-Akteur und dem Unternehmen Nord Stream 2 in Steinhausen (ZG).
Das sind die Akteure: Der erste Involvierte soll Matthias Warnig sein. Er ist ein enger Vertrauter Wladimir Putins und der einzige sanktionierte Deutsche der USA. Zu DDR-Zeiten war er Stasi-Spion, später leitete er erst das Unternehmen Nord Stream, dann Nord Stream 2. Heute hat er sich aus den Geschäftsleitungen zurückgezogen. Jene Person, die Laut «Bild» mehrmals inoffiziell nach Steinhausen gereist sein soll, ist Richard Grenell. Er ist ehemaliger US-Botschafter in Deutschland. Heute ist er Trumps Mann für Sondermissionen.
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Bild 1 von 2. Richard Grenell: Unter Donald Trump war er US-Botschafter in Deutschland und kritisiert das Land bis heute hart. Aktuell ist er «Sondergesandter des Präsidenten für Sondermissionen der Vereinigten Staaten». Bildquelle: Imago/Ad Media.
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Bild 2 von 2. Matthias Warnig: Er kennt Wladimir Putin und seine Familie seit Jahrzehnten. Vor zwei Jahren sagte er in der Wochenzeitung «Zeit», dass er bis heute Einfluss auf den russischen Präsidenten habe. Bei Nord Stream 2 schied er laut Schweizer Handelsregister am 20. Juli 2023 als Geschäftsführer aus. Bildquelle: Keystone/Jens Büttner.
Das ist bestätigt: Nichts davon. Beide erwähnten Männer dementieren, in die Deals verwickelt zu sein. Auch in der deutschen Regierung weiss man von nichts und hält die Berichte für «hochspekulativ». Aufregung scheint dennoch zu herrschen. Die Vorsitzende des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung im Europäischen Parlament, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, sagt im Interview mit «Welt online»: «Offensichtlich wollen sich Trump und Putin diese Welt aufteilen.» Und: «Das können wir und werden wir in Europa nicht dulden. Wer bei uns oder bei wem wir Gas einkaufen, das entscheiden nicht die Vereinigten Staaten, sondern die Deutschen und die europäischen Staaten.»
Das sagt der Investigativjournalist: Martin Murphy hat an der Veröffentlichung der «Bild»-Zeitung mitgearbeitet. Der Co-Leiter des Investigativressorts hält an der Darstellung zu Richard Grenell fest: «Herr Grenell hat auf Anfrage hart dementiert, dass er involviert ist. Das hat uns dazu gebracht, es mehrfach nachzuchecken. Wir wollten auch keine falschen Informationen haben. Es ist uns von mehreren Akteuren, die darüber Bescheid wissen und Bescheid wissen können, unabhängig voneinander bestätigt worden.»
Deshalb ist es überraschend: Die USA waren bis zuletzt erbitterte Gegner von Nord Stream 2. Auch Donald Trump kritisierte Deutschland 2018, sich mit den Pipelines abhängig von Russland zu machen. Zudem haben die USA sowohl das Unternehmen Nord Stream 2 als auch Matthias Warnig sanktioniert. Solche Pläne wären eine komplette Kehrtwende und ein eindeutiges weiteres Anschmiegen an Russland. Denn Wladimir Putin entgehen ohne die Nord-Stream-Pipelines grosse Einnahmen.
So realistisch ist das Projekt: Die Energie-Expertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sagt: «Ich sehe nicht, dass man seitens Deutschlands oder Europas dieses Projekt genehmigt.» Sie hielte es für einen Fehler, an dem Projekt wieder zu rütteln. «Man sollte die Gasbezüge diversifizieren oder, noch besser, den Gasbedarf deutlich nach unten schrauben.» Nicht ganz so eindeutig ist die Einschätzung des «Bild»-Journalisten, denn das «Geschäftsmodell Deutschland» funktioniere auf billigem Gas und das Vertrauen der Wirtschaft sei «nachhaltig gestört», sagt er. «Wenn es jetzt die Möglichkeit gibt, billig an Gas heranzukommen, dann gibt es genügend Vertreter innerhalb Deutschlands und auch innerhalb anderer Länder der Europäischen Union, die genügend Druck aufbauen.»