Was ist das Problem? Kleider müssen modisch sein – und günstig. Dann greifen Konsumentinnen und Konsumenten im grossen Stil zu. Fast Fashion funktioniert nur dank Polyester und Nylon, also Kunstfasern aus Erdöl. Sie stecken in einem Grossteil der Kleider, sind günstig, komfortabel, rasch verfügbar. Und schädlich: Mit jedem Waschgang von Kleidern aus synthetischen Fasern gelangt Mikroplastik in die Umwelt. Eine Studie der Ellen-MacArthur-Stiftung warnt, dass 2050 in den Weltmeeren mehr Plastik als Fisch schwimmen könnte. Die Schweizer Firma HeiQ produziert ein Garn aus Zellulose, um Polyester und Nylon zu ersetzen.
Was hat es mit der Zellulosefaser auf sich? Sie ist biologisch abbaubar, dies im Gegensatz zu Nylon- und Polyesterfasern, die die Natur überdauern und nicht abgebaut werden. Die Zellulosefaser wird aus Materialien hergestellt, die wiederverwertet werden können. Sie ist – so zumindest das Versprechen der Hersteller – widerstandsfähig. Allerdings ist HeiQ nicht das einzige Unternehmen, das an alternativen Fasern forscht. Andere arbeiten etwa an Fasern aus Hanf oder Bambus.
Wie funktioniert diese Faser – woraus besteht sie? Zellulosefasern können aus rezyklierten aufbereiteten Textilien oder aus der Zellulose aus Nahrungsmittelabfällen, etwa Organgenschalen oder Kaffeesatz, hergestellt werden. Diese sind zwar ausreichend verfügbar; es braucht aber Unternehmen, die sie aufbereiten. Um nicht vollständig von Partnerfirmen abhängig zu sein, versucht HeiQ derzeit im firmeneigenen Labor, selbst Zellulose herzustellen.
Warum ist sie nachhaltig? Den grössten Gewinn bringen Zellulosefasern dann, wenn sie schädliche Polyesterfasern ersetzen. Polyester und Nylon machen heute den Löwenanteil der Kleiderproduktion aus, rund 60 bis 70 Prozent. Auch Baumwolle und Wolle sind Alternativen, allerdings braucht es dafür viel Wasser, und es braucht Agrarfläche für den Anbau beziehungsweise für die Nutztiere. Baumwolle und Wolle stehen also in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion.
Ist das nur ein Luxusprodukt? Derzeit schon. Hugo Boss hat ein Poloshirt aus Zellulosegarn von HeiQ produziert, es kostet über 200 Franken. Der Preis sinkt erst, wenn HeiQ die Produktion ausweiten und Skaleneffekte erzielen kann. Dafür ist das Unternehmen darauf angewiesen, dass grosse Modehersteller ihm das Garn abkaufen oder eine Abnahmeverpflichtung unterzeichnen. Derzeit besteht mit Hugo Boss ein Vertrag, der deutsche Konzern hat gut 10 Millionen Franken in HeiQ investiert. Weitere 2.5 Millionen hat das Textilkonglomerat MAS aus Sri Lanka investiert, inklusive Abnahmeverpflichtung für die kommenden fünf Jahre. MAS produziert unter anderem für Nike und Victoria’s Secret. Ein Vertrag bezüglich Distribution besteht darüber hinaus mit der amerikanischen The Lycra Company.
Wieso hat Nachhaltigkeit in der Mode einen schweren Stand? Etliche Hersteller, darunter Inditex (Zara), haben zwar Nachhaltigkeitsziele, das Thema erhält mehr und mehr Aufmerksamkeit. Aber am Ende entscheiden die Konsumentinnen und Konsumenten, was sie kaufen. Und viele schauen in erster Linie auf den Preis. Noch völlig in den Kinderschuhen steckt das Recycling: Derzeit wird laut HeiQ nur ein Prozent des Textilabfalls zu neuen Kleidern rezykliert. Beim Papier sind es 87 Prozent.