In der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD sind die wirtschaftlich grössten Staaten der Welt zusammengeschlossen. Diese plant nun eine grosse Steuerreform, die auch die Schweiz betrifft.
Multinationale Konzerne sollen künftig nicht mehr nur Steuern zahlen müssen, wo ihre Firmensitze sind. Sondern auch dort, wo sie ihre grossen Absatzmärkte haben. Ziel ist eine fairere Besteuerung und eine gerechtere Verteilung der Steuermilliarden.
Der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz findet die Ziele richtig. Er ist aber skeptisch, ob sie mit der geplanten Reform erreicht werden können. «Kein Zweifel», sagt der berühmte Ökonom: Die alte Konzernbesteuerung müsse dringend reformiert werden. Denn: Sobald ein Mindeststeuersatz festgelegt sei, werde kein Land die Konzerne höher besteuern.
Das alte System passe überhaupt nicht mehr zur globalisierten Welt. Schon seit Jahren könnten grosse, multinationale Konzerne ihre Milliardengewinne allzu leicht in Länder verschieben, in denen die Steuern besonders niedrig sind: «Das ist alles andere als fair.» Mit der gleichen Genialität, mit der Digital- und andere Konzerne neue Suchmaschinen entwickelten, drückten sie ihre Steuerlast.
Stieglitz' Ökonomen-Kollegen haben zusammengetragen, dass 60 der 500 grössten Unternehmen – darunter Amazon, Netflix und General Motors – 2018 in den USA überhaupt keine Steuern zahlten. Dies, obwohl sie im gleichen Zeitraum zusammen 80 Milliarden Dollar an Gewinn auswiesen.
Diese Praktiken seien zwar nicht illegal, aber unmoralisch, kritisiert Stiglitz. Sie zerstörten darüber hinaus die Wirtschaft. Denn kleine Firmen hätten nicht die Möglichkeit wie Apple oder Google, ihre Gewinne von einem Land zum anderen zu schieben. Sie hätten dadurch einen enormen Wettbewerbsnachteil gegenüber den Multis.
Das Problem hat auch die OECD erkannt. Sie hat im Herbst eine grosse Reform der Konzernbesteuerung auf den Weg gebracht. Bis Ende des Jahres soll sie abgeschlossen sein. Im Kern besteht die Reform aus zwei Säulen: Erstens sollen globale Konzerne künftig nicht nur dort besteuert werden, wo sie einen Firmensitz haben, sondern auch dort, wo ihre Absatzmärkte sind.
Zweitens soll es eine globale Mindestbesteuerung geben. So bahnbrechend das klingt, eine Revolution wäre das nicht, sagt Stiglitz, der auch Mitglied einer Kommission für die Reform der globalen Unternehmensbesteuerung ist: «Schauen Sie sich die Mindeststeuer an», sagt der Ökonom. Eigentlich ein gutes Instrument, weil es einen globalen Steuerwettbewerb nach unten verhindern kann.
Setzt Negativ-Wettbewerb ein?
Das Problem sei aber die Höhe des Steuersatzes: In der OECD werde derzeit ein Mindeststeuersatz von 12.5 Prozent diskutiert. «Das ist viel zu niedrig», findet Stiglitz. Die OECD-Reform könnte also am Ende dazu führen, dass zwar die Steuerschlupflöcher für Konzerne etwas kleiner, der durchschnittliche Gewinnsteuersatz für Konzern aber deutlich niedriger werde, als vor der Reform.
«Dann wären die Konzerne mal wieder die grossen Gewinner», sagt Stiglitz. Der Ökonom selbst – und eine Gruppe von Entwicklungs- und Schwellenländern – propagiert daher einen anderen Ansatz: Eine Art globale Mindeststeuer von 25 Prozent auf die weltweiten Gewinne eines Konzerns. Der Ertrag würde dann nach einem bestimmten Schlüssel auf die Länder verteilt. Das wäre dann wirklich radikal.