Die Nationalbank – als Hüterin der Preisstabilität – nimmt den jüngsten Preisschub durch den Krieg in der Ukraine ernst. Aber von einer Zinserhöhung will sie vorderhand nichts wissen. Stattdessen setzt sie auf die Frankenstärke als Mittel gegen die Inflation.
Wenn an der Zapfsäule der Liter Bleifrei plötzlich zwei Franken kostet – oder mehr; wenn die Heizkosten für Mieterinnen und Mieter bis Ende Jahr durch die Decke zu gehen drohen: Dann trifft das vor allem die Menschen mit niedrigen Einkommen hart. Sie erleiden durch die Inflation spürbare Kaufkraftverluste, können sich also fürs Geld weniger kaufen. Sie können auch nicht darauf zählen, dass ihnen der Arbeitgeber bereitwillig mit einer Lohnerhöhung entgegenkommt. Denn viele Firmen kämpfen ihrerseits mit steigenden Kosten, weil sie auf den Weltmärkten für Rohstoffe und Vorprodukte mehr bezahlen müssen.
Konsumenten und Konsumentinnen profitieren
Die Inflation wird hierzulande allerdings gedämpft durch den starken Franken. Zum Euro steht der Wechselkurs ungefähr bei 1:1. So billig war die Gemeinschaftswährung schon lange nicht mehr. Vor einem Jahr kostete der Euro noch rund 1 Franken und 10 Rappen. Das heisst: Beim Import von Waren aus der EU, unserer wichtigsten Handelspartnerin, erhalten Konsumentinnen, Konsumenten und Firmen – rein wechselkursbedingt – einen Rabatt. Weil der Franken im Ausland an Wert gewonnen hat. Der Preisauftrieb wird dadurch gedämpft hierzulande. Das ist einer der Gründe dafür, dass die Inflation in der Schweiz mit gut zwei Prozent deutlich niedriger ist als etwa im Euroraum. Dort betrug sie zuletzt rekordhohe sechs Prozent, in den USA kletterte sie sogar auf acht Prozent.
Die Frankenstärke hat aber einen Haken. Sie zügelt die Inflation auf Kosten des Wachstums: Ab einem gewissen Punkt verteuern sich beispielsweise Reisen in die Schweiz – und Industrie-Exporte aus der Schweiz in die EU – so sehr, dass der Tourismus und die Exportindustrie leiden. Wirtschaftlicher Schwung geht verloren. Nicht nur die Inflation erhält einen Dämpfer, auch die Konjunktur.
Franken nicht überstrapazieren
Darum bekräftigt Nationalbankchef Thomas Jordan bei jeder Gelegenheit: Die SNB sei nötigenfalls am Devisenmarkt aktiv, damit der Franken nicht allzu sehr erstarke. Wo bei den Wechselkursen die Schmerzgrenze liegt (etwa bei der Parität zum Euro), das sagt die Nationalbank nicht. Sie lässt sich grundsätzlich bei ihren Devisenmarktinterventionen nicht in die Karten schauen. Denn das würde es ihr erschweren, die Wechselkurse zu beeinflussen, indem sie zum Beispiel Franken auf den Markt wirft und Euro kauft. Dazu kommt: Auf «Teufel komm raus» Franken gegen Fremdwährungen zu tauschen, schafft neue Probleme. Das bläht nämlich die ohnehin übergrosse Bilanz der Nationalbank weiter auf. Und das bringt neue Risiken mit sich.
Das bedeutet aber auch: Die Frankenstärke könnte im Kampf gegen die Inflation allmählich zur stumpfen Waffe werden. Das weiss die Nationalbank. Auch darum nimmt sie die jüngsten Inflationstendenzen ernst. Sie kann nur hoffen, dass die Energiepreise nicht noch drastischer steigen. Sonst gerät sie bei den Zinsen doch bald unter Zugzwang.