Sandra S. traut ihren Augen nicht. Damit hatte sie nicht gerechnet. In den Händen hält sie einen Brief von Postfinance: «Wir sehen uns veranlasst, die Geschäftsbeziehung mit Ihnen abzubrechen und die zugehörigen Konten und Dienstleistungen aufzuheben», heisst es im Schreiben. Der Kundin wird mitgeteilt, dass sie zwei Wochen Zeit habe, sich eine neue Bank zu suchen. Sandra S. versucht Geld von ihrem Konto abzuheben, was bereits nicht mehr geht. Eine neue Bank zu finden, ist für sie in diesem kurzen Zeitraum aus dem Ausland unmöglich.
Sandra S. ist von der Kündigung überrascht. Sie ist seit vielen Jahren eine ganz normale Kundin, lebt in Kuba und bezahlt als Auslandschweizerin höhere Bankgebühren. Für sie ist unklar, wie sie künftig die Zahlungen der AHV erhalten soll.
Kein Einzelfall
Eine Recherche von SRF zeigt, dass Sandra S. kein Einzelfall ist. Im Gegenteil: Postfinance kündigt derzeit systematisch Kundinnen und Kunden mit einem Bezug zu Kuba.
Die kurzen Fristen werfen Fragen auf. Entweder hat die interne Kontrolle Alarm geschlagen, oder die amerikanischen Behörden haben direkt bei der vom Bund kontrollierten Bank Druck gemacht. Postfinance zeigt sich auf Anfrage bedeckt und gibt diesbezüglich keine Auskunft. Die Reaktion legt den Schluss nahe: Die Angst vor Donald Trump ist am Hauptsitz in Bern angekommen.
Kuba als Spielball der US-Politik
Hintergrund für die abrupten Kündigungen sind die erneut verschärften Wirtschaftssanktionen der USA. Es gibt ein Auf und Ab. 2016 kündigte der damalige US-Präsident Barack Obama ein neues Zeitalter an, eine historische Wende, wie es hiess. Nach Jahrzehnten lockerten die USA das Embargo.
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Bild 1 von 2. Historischer Handschlag: Kubas Staatspräsident Raul Castro und US-Präsident Barack Obama vereinbaren engere Beziehungen. Bildquelle: Keystone/AP Cubadebate.
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Bild 2 von 2. Not macht erfinderisch. Oldtimer werden seit Jahrzehnten repariert und als Taxi eingesetzt, so wie in Havanna. Bildquelle: ZVG.
Die Freude war von kurzer Dauer. 2019 zog Donald Trump die Schraube an, setzte Kuba auf die Liste der Terrorstaaten und drohte ausländischen Firmen und Banken, die mit Kuba Geschäfte machen. Joe Biden wiederum lockerte Anfang Jahr die Massnahmen – dieser Entscheid wurde aber erneut und postwendend von Donald Trump rückgängig gemacht. Es ist eine Politik der Willkür.
Schweizer Banken reagieren
Grosse Schweizer Banken haben vor etlichen Jahren aufgrund des Drucks aus den USA den Zahlungsverkehr mit Kuba gestoppt. Postfinance blieb das einzige grosse Institut, welches solche Zahlungen weiterführte. Bis 2019. Dann stoppte auch Postfinance die Beziehung zu Kuba. Dies führte zu Kritik. Filippo Lombardi, ehemaliger Ständerat der Mitte aus dem Tessin, machte in einer Interpellation geltend, Postfinance habe vom Bund den Auftrag, die Grundversorgung im Zahlungsverkehr sicherzustellen, auch für Pensionierte im Ausland.
Der Bundesrat entgegnete, diese Pflicht gelte nur für den Zahlungsverkehr innerhalb der Schweiz. Postfinance sei als Schweizer Finanzinstitut zwar nicht direkt dem amerikanischen Recht unterstellt, die Sanktionen aus den USA seien aber anwendbar, sobald die Zahlungen in Dollar ausgeführt würden, oder über eine Bank im Hoheitsgebiet der USA. Man könne Postfinance nicht verpflichten, Zahlungen ins Ausland vorzunehmen.
Heute bezieht sich Postfinance auf die Argumente von damals. Die Bank sei auf ein Netz von Korrespondenzbanken sowie auf den Zugang zum Dollar-Zahlungsverkehr angewiesen. Weshalb die Schliessungen der Konti so überstürzt erfolgen, bleibt allerdings unbeantwortet.