Der Industriekonzern Sulzer ist wieder befreit von den US-Sanktionen. Die zuständige US-Behörde hat den Rückkauf von Aktien durch Sulzer bei Renova akzeptiert. Somit ist Renova kein Mehrheitsaktionär bei Sulzer mehr und Sulzer darum nicht mehr auf der Sanktionsliste.
Der Grund, warum das Schweizer Traditionsunternehmen in den Fokus der USA geriet, heisst Viktor Vekselberg. Der russische Oligarch und sein Unternehmen Renova stehen auf der Sanktionsliste der US- Regierung. Somit dürfen US-Bürger und Unternehmen keine Geschäfte mit Vekselberg und Renova mehr machen.
Einer, der lange mit Vekselberg zusammenarbeitete, ist Thomas Borer. Der frühere Diplomat ist heute Unternehmensberater und Lobbyist und war bis 2010 im Verwaltungsrat der Renova. Heute hat er kein Mandat mehr bei dem Unternehmen. «Ich hoffe und wünsche Sulzer, dass das Unternehmen nun nichts mehr aus den USA zu befürchten hat», sagt Borer.
Aber ausgestanden sei die Sache womöglich nicht. Die Situation in den USA müsse weiter genau verfolgt werden; die «Executive Order» der US-Regierung, mit der neuerliche Sanktionen ausgelöst wurden, sei in vielen Bereichen unbestimmt und lasse grossen Ermessenspielraum.
Einmal mehr scheinen Schweizer Unternehmen nicht in der Lage zu sein, das, was in den USA auf sie zukommt, vorauszusehen. Das lässt mich doch an der strategischen Weitsicht zweifeln.
Die «Executive Order» ziele bewusst darauf ab, Unsicherheit zu schüren, sagt Borer – und das offenbar mit Erfolg: «Sehr viele Unternehmen und Personen in den USA und Europa lassen grosse Vorsicht walten. Man will auf keinen Fall in den Ruf geraten, dass man weiterhin mit sanktionierten Russen Geschäfte macht.»
Sehenden Auges in die Sanktionsfalle?
An Schweizer Unternehmen, die wegen der Russland-Sanktionen ins Visier der US-Behörden geraten sind, übt der erfahrene Lobbyist allerdings deutliche Kritik: «Einmal mehr scheinen sie nicht in der Lage zu sein, das, was in den USA auf sie zukommt, vorauszusehen. Das lässt mich doch an der strategischen Weitsicht zweifeln.»
Namen nennt Borer nicht. Es sei aber bekannt, bei welchen Schweizer Unternehmen Oligarch Vekselberg grosse Beteiligungen habe. Er sei sehr erstaunt, dass diese Unternehmen nicht schon frühzeitig «im Sinne der Prävention» in den USA interveniert hätten – auch mit Hilfe der Schweizer Botschaft oder des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco).
Borer spricht aus Erfahrung: «Mit meinem Netzwerk habe ich für ausländische Unternehmen, die in einer ähnlichen Lage waren, in den letzten Monaten eine Befreiung erreicht.» Man habe es geschafft, den zuständigen US-Behörden klar zu machen, dass die Sanktionen nicht im US-Interesse und die Kontakte zu Russland auch nur sehr indirekt seien.
Viktor Vekselberg ist nicht der einzige russische Oligarch, der in Schweizer Unternehmen investiert. Und Washington überlegt sich offenbar, weitere russische Tycoons mit Sanktionen zu belegen. US-Präsident Donald Trump stehe aufgrund der Russland-Affäre innenpolitisch unter Druck, sagt der langjährige Diplomat Borer: «Er muss dem Vorwurf entgegentreten, erpressbar zu sein, weil er Wahlkampfhilfe von Russland angenommen haben soll.» Borer fügt an: «Das lässt mich im Moment nicht sehr ruhig schlafen.»
Erleben wir also erst den Anfang einer Eskalationsspirale, die auch Schweizer Unternehmen hart treffen könnte? Borer spricht von einer «zweiten Stufe», die die USA nun gezündet hätten. Denn die ersten Russland-Sanktionen hätten nicht wirklich gefruchtet. «Die USA werden wohl eine dritte Stufe zünden, wenn sie glauben, dass die Massnahmen immer noch nicht genügen.»
Letztlich helfen die Sanktionen der Regierung Putin und stärken sie innenpolitisch.
Bleibt die Frage: Können die Sanktionen gegenüber russischen Unternehmen und Oligarchen den Kreml wirklich treffen? Mit Blick auf die Direktbetroffenen hält Borer die Folgen durchaus für schwerwiegend. Aber: «Letztlich helfen die Sanktionen der Regierung Putin und stärken sie innenpolitisch.» Die Oligarchen hätten gegenüber Putin wenig Macht und Einfluss: «Ich glaube, dass die Sanktionen in Bezug auf Putins Politik ihre Wirkung völlig verfehlen werden.»
Borer bereut Engagement für Oligarchen nicht
Borer selbst galt bei Renova als treibende Kraft für Investitionen in Schweizer Unternehmen. Heute hat er nach eigener Aussage keine russischen Mandate mehr. Würde der Ex-Botschafter rückblickend anders handeln? «Nein. Es war nicht absehbar, dass sich die geopolitische Lage zwischen Russland und den USA derart verschärft.»
Er hoffe, schliesst Borer, dass «die Tauben in beiden Lagern wieder die Oberhand gewinnen»: «Dann ist ein ‹Ankeraktionär› wie Vekselberg für Schweizer Unternehmen etwas Gutes.»