Rund ein Drittel der Lebensmittel in der Schweiz gehen zwischen Feld und Teller verloren, das entspricht 2.8 Millionen Tonnen pro Jahr. Das widerspricht dem Ziel, unsere Lebensmittel möglichst nachhaltig zu produzieren und zu verarbeiten. Denn einerseits müssen künftig immer mehr Menschen sich ernähren können. Gleichzeitig belastet eine intensive Lebensmittelproduktion und -Verarbeitung die Umwelt.
Gerade bei der Verarbeitung fällt fast ein Drittel des «Food Loss» an. Das sind vor allem sogenannte Nebenströme der Lebensmittelproduktion. «Bei der Verarbeitung von Weizen sind die verschiedenen Mehle der Hauptstrom, die Weizenkleie der Nebenstrom», erklärt Nadina Müller. Sie ist Lebensmitteltechnologin und Professorin an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft (ZHAW) und leitet ein Forschungsteam.
Diese Nebenströme aus der Produktion seien geniessbare und wertvolle Lebensmittel. Diese kann man problemlos weiter verwenden. Doch es braucht Unternehmen, die diese Produkte weiterverarbeiten können. Auch seien nicht alle Nebenströme direkt verwendbar, erklärt Nadina Müller. «Wenn ein Nebenstrom mikrobiell belastet ist und man das Produkt erhitzen muss oder speziell trocknen, ist das energie- und preisintensiv.» Und da stelle sich schnell die Frage, ob sich da ein Business-Case ergebe.
Schokolade-Eis mit Kakaoschale
Lebensmitteltechnologin Nadina Müller und ihr Team haben verschiedene solche Nebenströme untersucht und neue Lebensmittel daraus entwickelt – mit unterschiedlichem Erfolg. «Ein Schokolade-Eis mit einem hohen Anteil von gemahlenen Kakaoschalen ist gelungen», freut sie sich.
Anders sieht es aus bei Teigwaren mit einem hohen Anteil Weizenkleie. «Die Teigwaren überzeugten von der Textur und im Geschmack. Aber die dunkelbraune Farbe hat viele irritiert.» Trotzdem ist Nadina Müller überzeugt, es brauche ein Umdenken: «Es gibt Bemühungen, die Prozesse anzupassen. Die Industrie muss wegkommen von so vielen Nebenströmen und die Lebensmittel ganzheitlicher verwenden.»
Konsumierende müssen umdenken
Bei diesem Wandel müssen aber auch die Konsumierenden bereit sein, dunklere Teigwaren zu kaufen, die allenfalls eine etwas sandigere Konsistenz haben. «Die Konsumentinnen und Konsumenten haben einen grossen Hebel, um solche neuen Produkte zu etablieren», bestätigt Philippe Aeschlimann des Lebensmittelkonzerns Danone.
Doch das sei gar nicht so einfach. Look und Geschmack müssten stimmen. «Die Konsumierenden verliert man sehr schnell. Wenn es nicht schmeckt, kann das Produkt noch so nachhaltig produziert sein, es wird nicht gekauft.»
Wirtschaftlicher Druck ist gross
Damit ist klar: Der Wandel hin zu neuen, nachhaltigen Lebensmitteln ist mit Risiken verbunden. «Innovation ist oft mit Angst verbunden, die Menschen bevorzugen das Bewährte», sagt Lukas Grob. Er ist Chef von Swiss Food Research, einem Netzwerk, das Innovationen im Lebensmittelbereich fördern will. Doch in der Lebensmittelindustrie seien die Margen klein, der Druck durch fehlende Fachkräfte und hohe Energiepreise hoch. «Das ist ein Ansporn, Traditionen schneller über den Haufen zu werfen und neue Lösungen zu suchen.»
Wie schnell die Umstellung geht, ist unklar. Was sich aber zeigt, zum Beispiel am jüngsten Swiss Green Economy Symposium: Die Branche sucht gemeinsam nach Lösungen, mit den direkten Partnern, aber auch mit der Konkurrenz.