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Vorstoss von Avenir Suisse Überraschender Angriff auf die flankierenden Massnahmen

Die Politik brütet darüber, wie der Druck auf Schweizer Arbeitnehmer gelindert werden kann. Die wirtschaftsliberale Denkfabrik Avenir Suisse gibt Kontra.

Letzte Woche gab das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco bekannt, dass sich rund ein Viertel der von ihm kontrollierten Betriebe nicht an die geltenden Lohn- und Arbeitsbestimmungen hält. Im Klartext: Lohndumping kommt immer häufiger vor, besonders bei Firmen ohne Generalarbeitsvertrag (GAV). Wegen der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit werden solche Firmen gebüsst.

Der wirtschaftsliberale Think Tank Avenir Suisse kann aber mit den flankierenden Massnahmen (FlaM) nicht viel anfangen: Heute stellte er eine Studie vor, die vor allem Mindestlöhne in Frage stellt. Sie würden besonders Jungen und Ungelernten den Einstieg in den Arbeitsmarkt erschweren.

Die Personenfreizügigkeit hat uns allen genützt.
Autor: Patrik Schellenbauer Chefökonom Avenir Suisse

In Zeiten, in denen die Personenfreizügigkeit stark unter Druck ist, setzt sich Avenir Suisse mit solchen Aussagen in die Nesseln. Warum und warum jetzt? Im «Tagesgespräch» von Radio SRF begründet Patrik Schellenbauer, Chefökonom von Avenir Suisse, den unkonventionellen Vorstoss: «Die Forschung zur PFZ zeigt, dass es nicht grossflächig zu Verdrängungserscheinungen gekommen ist.»

Das Bild älterer Arbeitnehmer etwa, die zugunsten eines «halb so teuren jungen Deutschen» vor die Türe gesetzt würden, hält Schellenbauer für überzeichnet: «Das sind absolute Ausnahmefälle.» Die Schweiz verdanke der Personenfreizügigkeit Wirtschaftswachstum und damit verbunden mehr Jobs: «Letztlich hat sie uns allen genützt.»

Globalisierungsgewinner Schweiz

Die Schweiz habe von der Globalisierung enorm profitiert, sagt Schellenbauer weiter: «Schon immer kamen Menschen, Ideen und Firmen in die Schweiz. Viele andere Länder beneiden uns darum.» Niemand könne sagen, wo die Schweiz ohne die Personenfreizügigkeit stünde, aber «Studien zeigen, dass die Zuwanderung seit der PFZ vor allem ergänzend war: Es kamen die Fähigkeiten und Leute zu uns, die wir vorher nicht hatten.»

Kritik der Gewerkschaften folgt postwendend

Avenir Suisse propagiere mit seinen Forderungen das Lohndumping. Dieses würde eine Abwärtsspirale in Gang bringen und sämtliche Firmen, Arbeitsplätze und Löhne unter Druck setzen, schrieb die Unia. Die FlaM sicherten hingegen gute Löhne und Arbeitsbedingungen und verhinderten, dass Arbeitgeber «billige» Arbeitskräfte aus dem Ausland auf Kosten der Inländer anstellen könnten, teilte der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) mit.

Die Angst vor Lohndruck aus dem Ausland habe sich als «weitgehend unbegründet» erwiesen, hält denn auch der Bericht unter dem Titel «Risiken und Nebenwirkungen der Flankierenden» fest. Vielmehr sieht Avenir Suisse gravierende Nachteile bei den Flankierenden.

So bestehe zwar deren politisches Ziel darin, die Inländer vor der Arbeitsmarktöffnung zu schützen. Das mit den flankierenden Massnahmen eingeführte System von Mindestlöhnen schütze aber vor allem die Insider, also diejenigen, die bereits im Arbeitsmarkt integriert seien. Berufs- und Quereinsteigern werde die Arbeitssuche hingegen erschwert.

Rückbau der Flankierenden

Der Bericht empfiehlt insbesondere, die erleichterte Allgemeinverbindlichkeit von Gesamtarbeitsverträgen zu streichen. Diese habe zu einer steigenden Zahl von Mindestlöhnen geführt. Von einer Abschaffung der erleichterten Allgemeinverbindlichkeit würden gemäss Avenir Suisse Neu- und Wiedereinsteiger in den Arbeitsmarkt profitieren, da neue Jobs geschaffen würden.

Zudem schlägt die Denkfabrik vor, dass die flankierenden Massnahmen nur noch in Branchen angewandt werden sollen, «in denen ökonomische Indikatoren die negativen Veränderungen des Arbeitsmarkts klar belegen». Dies gelte für Branchen mit sinkenden Reallöhnen oder für solche, in denen bisher Beschäftigte verdrängt würden.

Kontrolltätigkeiten sollten «schrittweise auf ein normales Mass» zurückgefahren werden. Die Liberalisierung des Arbeitsmarkts für tiefer Qualifizierte ist laut Avenir Suisse «eine Investition in die Zukunft». Der flexible Arbeitsmarkt sei einer der grössten Trümpfe des Wirtschaftsstandorts Schweiz.

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