Obwohl Russland seit dem Ukraine-Krieg unter wirtschaftlichem Druck steht, gewinnt der Rubel gegenüber anderen Währungen wie dem US-Dollar, Euro oder Schweizer Franken stetig an Wert. Musste man direkt nach Ausbruch des Konflikts Ende Februar für einen Franken rund 150 Rubel auf den Tisch legen, sind es aktuell noch rund 60 Rubel.
Marktkräfte ausser Kraft
In der ökonomischen Theorie spiegelt der Zustand einer Währung die Verfassung einer Volkswirtschaft: Hinter dem starken Schweizer Franken steht eine robuste Schweizer Wirtschaft. Doch für den Rubel und Russland gilt dies offenbar nicht mehr. Die westlichen Sanktionen schwächen die russische Wirtschaft, doch eine dauerhafte Schwächung des Rubel-Kurses ist bislang ausgeblieben.
Das liegt daran, dass der Rubel nicht mehr durch die Marktkräfte getrieben wird, sondern durch Massnahmen der Putin-Regierung und der russischen Zentralbank. Diese sorgen dafür, dass möglichst wenige Rubel verkauft werden dürfen (tiefes Angebot) und gleichzeitig möglichst viele Rubel gekauft werden müssen (hohe Nachfrage).
«Flucht aus dem Rubel» unterbunden
So hat die russische Zentralbank sogenannte Kapitalverkehrskontrollen eingeführt. Diese erschweren es sowohl Bürgerinnen und Bürgern als auch Unternehmen, russische Anleihen, Aktien oder andere Beteiligungen zu verkaufen.
Damit schiebt die Zentralbank der «Flucht aus dem Rubel» einen Riegel. Noch wichtiger aber ist, dass die westlichen Sanktionen Russlands Handelsbilanz, das heisst das Verhältnis zwischen Importen und Exporten, unterschiedlich treffen – und damit das Rubel-Hoch begünstigen.
Öl- und Gasverkäufe stützen Rubel
«Bei den Importen sieht man einen sehr deutlichen Rückgang durch die Sanktionen. Seit Februar sind sie um knapp 50 Prozent gefallen», sagt Martin Eichler, Chefökonom des Konjunkturforschungsunternehmens BAK Economics. Bei den Exporten sehe es indessen anders aus: 60 Prozent davon seien Öl und Gas, die nicht von den Sanktionen betroffen seien, so Eichler weiter.
Die Einnahmen daraus müssten zu 100 Prozent in Rubel umgetauscht werden. Der Zwangsumtausch kurbelt die Nachfrage nach Rubel künstlich an. Hinzu kommt, dass die Preise für Energie wegen Rohstoffknappheit weltweit gestiegen sind. Gleichzeitig brechen die Importe nach Russland ein. Es müssen also keine Rubel verkauft werden. Die Folge: Der Rubel legt an Wert zu.
Sanktionen allein werden Krieg nicht beenden
Bleibt die Frage, ob die Sanktionen gegen Russland überhaupt eine Wirkung zu entfalten vermögen. Der Rubel-Kurs scheint davon bislang unberührt. «Der Wechselkurs ist dafür auch kein guter Indikator, weil er eben durch verschiedene Massnahmen gestützt wird», sagt Martin Eichler.
Besser sei der Blick auf die reale Wirtschaftsentwicklung. Dort gebe es zwar noch keine Zahlen. Doch BAK Economics hat für Russland seine Jahresprognose drastisch nach unten korrigiert. Von plus 3 Prozent im Februar auf minus 9 Prozent auf das ganze Jahr. Denn je länger die Sanktionen dauern, desto schwieriger wird es für Russland, kritische Produkte in Investitionsgütern zu ersetzen. Doch eines ist auch klar: Den Krieg beenden werden die Sanktionen nicht. Sie können höchstens die Kosten für Russland auf eine Weise erhöhen, um den Weg für eine politische Lösung zu ebnen.