«Ich bedaure den Rücktritt von Patrick Raaflaub», sagt Eveline Widmer-Schlumpf am World Economic Forum im Interview mit SRF. Sie äussert sich damit zum ersten Mal zum angekündigten Abgang des Finma-Chefs. Hingegen sei es aber keine Überraschung gewesen. Er habe bereits zum Beginn seiner Amtszeit gesagt, dass er sich einen Zeitraum von fünf bis sechs Jahren vorstelle. Patrick Raaflaub hatte den Direktor-Posten 2009 angetreten.
In wenigen Tagen wird der Leiter der Abteilung Bankenaufsicht, Mark Branson, interimistischer Finma-Direktor. Könnte er schon bald zum definitiven Direktor ernannt werden?
«Rein rechtlich, ja», sagt Eveline Widmer-Schlumpf, die Juristin ist. Es gehe aber um etwas anderes: «Die Frage ist: Welche Kompetenzen braucht es? Das ist matchentscheidend.»
Ob Mark Branson diese erfüllen würde, bestimme nicht sie, sagt die Finanzministerin. «Das entscheidet der Verwaltungsrat.» Dennoch ist es aber der Bundesrat, der am Ende sein Okay gibt – oder ablehnt.
Freihandelsabkommen mit Indien: «Kein Basar»
Die Finanzministerin äussert sich auch zur Kritik ihres indischen Amtskollegen von vergangenem Donnerstag. Palaniappan Chidambaram hatte sich am WEF beschwert, dass er keine Antwort auf seinen Brief an Eveline Widmer-Schlumpf erhalten habe, in welchem er sie um Auskunft über unversteuertes Geld aus Indien auf Schweizer Banken gebeten hätte.
«Ich habe ihm schon zwei Mal mündlich geantwortet und ein Mal schriftlich», entgegnet Eveline Widmer-Schlumpf. Sie habe ihm vor Weihnachten geantwortet und die Schweizer Rechtslage dargelegt. Sie habe ihm auch klar aufgezeigt, dass die Schweiz keine Amtshilfe gestützt auf gestohlene Daten leisten könne. Sie hätte «selbstverständlich» auch ein Angebot gemacht, um die Diskussion weiterzuführen, in welchem Rahmen Amtshilfe möglich sei.
Die diplomatischen Verstimmungen könnten das Freihandels-Abkommens mit Indien gefährden, über das ihr Bundesrats-Kollege Johann Schneider-Ammann verhandelt. Zumindest soll der indische Finanzminister beide Themen aneinander geknüpft haben. Eveline Widmer-Schlumpf äussert sich dazu deutlich: «Wir können keinen Basar eröffnen über klare gesetzliche Regelungen, die wir in der Schweiz haben, und diese dann zur Disposition stellen, um etwas anderes zu erreichen. Das kann ein Rechtsstaat nicht machen.»