Kurz vor dem Mittag schauten die Teilnehmenden am heute eröffneten Weltwirtschaftsforum in Davos gebannt auf den Bildschirm – der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hielt eine Rede per Video-Schaltung.
Erneut unterstrich er die Dringlichkeit internationaler Kooperation. Es sei nicht die Zeit grosser Worte, sondern jene für konkrete Taten: «Es gibt noch immer keine wirksamen Sanktionen gegen Russland. Diese sollten aber maximal sein», sagte der Präsident vor den versammelten Staats- und Konzernchefs.
So forderte er erneut ein «vollständiges Ölembargo», «den Ausschluss aller russischen Banken aus den globalen Systemen und die Einstellung des gesamten Handels mit Russland». Selenski forderte ausserdem mehr Waffen und den vollständigen Rückzug aller ausländischen Staaten aus Russland, damit sie nicht für Moskaus «blutige Interessen» eingesetzt würden.
Konzerne sollen sich am Wiederaufbau beteiligen
Anschliessend rief er die versammelten Länder und Konzerne zum Wiederaufbau auf. «Ich lade Sie ein, sich an diesem Wiederaufbau zu beteiligen», betonte er. Die Ukraine stelle sich vor, dass jedes Partnerland, jede Firma, eine bestimmte Region oder eine bestimmte Industrie beim Wiederaufbau unterstützen könne, erklärte Selenski.
Ich lade Sie ein, sich an diesem Wiederaufbau zu beteiligen.
Mit Blick auf die geplante Lugano-Konferenz im Juli gab er seiner Hoffnung Ausdruck, dass die grossen Unternehmen und Partnerländer dort Wege finden würden, die Ukraine beim Aufbau zu unterstützen. Er dankte der Schweiz, dass sie dieses Treffen durchführen wird.
Cassis spricht von «kooperativer Neutralität»
Auch Bundespräsident Ignazio Cassis bezog sich in seiner Rede auf die geplante Konferenz in Lugano. Die Schweiz sei bereit, als Vermittlerin Gespräche wieder zu ermöglichen und dafür Plattformen zu schaffen. Zudem gehe es bereits jetzt darum, den Wiederaufbau der kriegsversehrten Ukraine zu planen.
40 Länder und 18 internationale Organisationen seien zur Wiederaufbaukonferenz vom Juli im Tessin eingeladen worden. Dort sollen sich die Hauptakteure ein erstes Mal über das «komplexe System des Wiederaufbaus» austauschen.
Dass die Schweiz diesen Krieg scharf verurteilt habe, habe angesichts der Schweizer Neutralität viele überrascht, sagte Cassis. Es gebe aber bei einer solch «brachialen Verletzung» fundamentaler Werte keine neutrale Haltung. Denn diese Werte stünden für die Freiheit schlechthin.
«Demokratie muss stärker sein als Gewaltherrschaft», sagte der Bundespräsident. Entsprechend stehe die Schweiz mit den Ländern zusammen, die diesem Angriff auf die Grundfesten der Demokratie nicht tatenlos zusehen würden.
Der Schweiz entspreche diese «kooperative Neutralität». Das bedeute, sich als neutrales Land für die Stärkung von Grundwerten, die Sicherung von Friedensbemühungen und für eine regelbasierte und stabile Sicherheitsarchitektur einzusetzen.