Roche will die Lizenzen für ihre Coronatests nicht freigeben – obschon weltweit massiv Testkapazitäten fehlen. Der Basler Pharmakonzern sollte sich mit anderen Pharmafirmen austauschen und Hand bieten, um das Problem zu lösen, sagt die Bio-Ethikerin Nikola Biller-Andorno.
SRF News: Wie sollte Roche aus medizinisch-ethischer Sicht mit dem Problem der fehlenden Coronatests umgehen?
Nikola Biller-Andorno: Wenn die Tests für die Bewältigung der Coronakrise wirklich eine wichtige Rolle spielen, kann man erwarten, dass Roche an der Lösung des Problems mitarbeitet. Auch steht der Konzern in dem Fall in einer moralischen Pflicht. Wie genau das Problem aber gelöst werden soll – ob Roche dafür Produktionslizenzen an andere Firmen vergeben soll –, ist eine andere Frage.
Roche beliefert derzeit langjährige Kunden und solche, welche die Tests dann auch rasch einsetzen, zuerst. Ist eine solche Bevorzugung moralisch vertretbar?
Weil Roche derzeit nicht alle beliefern kann, braucht die Firma logischerweise Kriterien, nach denen sie das macht.
Roche sollte einen Plan zur Ausweitung der Produktion der Tests ins Auge fassen.
Allerdings sollte Roche jetzt mit anderen Akteuren aus der Pharmabranche einen Plan zur Ausweitung der Produktion der Tests ins Auge fassen. So könnten gemeinsame Standards der Belieferung definiert werden, die gemeinsam geprüft und für gut befunden würden.
Warum tun sich Pharmafirmen so schwer mit solchen Fragen?
Bislang ist diese Problematik kaum vorgekommen. Die Frage, wem ein Pharmaprodukt verkauft werden soll, stellt sich in dieser Form erst seit kürzerem. Um diese Probleme zu lösen braucht es auch externe Beratung, etwa durch Ethiker, damit man über individuelle Lösungen für einzelne Firmen hinausgehen kann.
Manche Medikamente im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie sind knapp geworden, und auch über die Verteilung eines möglichen Impfstoffs wird bereits jetzt gestritten. Nach welchen Kriterien sollte man diese knappen Güter verteilen?
Die WHO ist derzeit daran, einen solchen Prozess der globalen Konsultation zu führen. Es geht dabei darum herauszufinden, welche Prinzipien relevant sind: Nutzenmaximierung? Gleichheit? Bedürftigkeit? Wenn es dann konkret wird, kann man da durchaus zu unterschiedlichen Schlüssen kommen. Deswegen sind in den Diskussionen um die Verteilungsgerechtigkeit nicht nur die Prinzipien wichtig, sondern auch der faire Prozess.
Es braucht einen transparenten Diskurs, an dem möglichst alle Betroffenen beteiligt sind.
Dieser sieht einen Diskurs vor, an dem möglichst alle Betroffenen beteiligt sind, damit sie mit dem, was am Ende beschlossen wird, leben können. Der Diskurs muss transparent sein und die Beteiligten müssen dazu bereit sein, die eigenen Interessen zunächst zurückzustellen. Es geht also um die übergeordnete ethische Aufgabe: Wie können diese knappen Güter am besten verteilt werden? Zugleich geht es nicht darum, wie man selber aus dem Prozess den grössten Gewinn schlagen kann. Um diesen fairen Prozess werden wir in nächster Zeit nicht herumkommen.
Das Gespräch führte Janis Fahrländer.