Vierzig Prozent weniger als im Sommer kostet das Fass Rohöl heute. So drastisch fiel der Preis letztmals in der Finanzkrise vor sechs Jahren. Doch diesmal steht der Rückgang unter einem günstigeren Stern: Denn die Hauptursache ist das ungedrosselt hohe Angebot an Öl. Die Ökonomen freut es.
«Das ist eine gute Nachricht für die Weltwirtschaft», sagt Chefökonom Claudio Borio von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. Zwar gebe es neben Gewinnern auch Verlierer.
Produzentenländer im Nachteil
Wenig Freude haben beispielsweise Produzentenländer wie Russland, Iran oder Venezuela, die auf die Einnahmen aus dem Ölexport angewiesen sind. Doch den meisten Verbraucherländern hilft es.
«Zu den Gewinnern gehören klar die westlichen Industrieländer aus Europa, die USA sowie Japan», sagt Anastassios Frangulidis, Chefökonom der Zürcher Kantonalbank:
USA profitiert stärker als die Schweiz
Der ZKB-Ökonom schätzt die Einsparungen für die Konsumenten allein in den USA auf 70 Milliarden Dollar pro Jahr. Das ist ein halbes Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Und da der Konsum für die amerikanische Wirtschaft besonders wichtig ist, fällt der Effekt ins Gewicht. Das billige Öl stärkt die US-Wirtschaft, die derzeit ohnehin an Kraft gewinnt.
Europa dagegen profitiert weniger. «Natürlich ist der Einfluss der tieferen Erdölpreise in Europa etwas weniger stark ausgeprägt als zum Beispiel in den USA. Gerade auch weil die Preise hier in der Schweiz, aber auch in Europa stark von der Steuerbelastung bestimmt werden», so Frangulidis weiter.
Der hiesige Fiskus schöpft ungefähr die Hälfte vom Benzinpreis als Steuer ab. Dazu kommt, dass sich die internationale Energie-Handelswährung Dollar verteuert hat. Auch darum ist der Liter Benzin an Schweizer Tankstellen seit dem Sommer nur ein paar Rappen günstiger geworden.
Weiterer Preisrückgang ist unwahrscheinlich
Trotzdem: Auch Europa bringt der Ölpreisrückgang etwas. Energieintensive Branchen wie die Chemie- und Baustoffindustrie können günstiger produzieren; die Haushalte haben mehr Geld zur Verfügung für anderes als Heizöl und Treibstoff.
Frangulidis ist zuversichtlich: «Das zeigt, dass das verfügbare Einkommen der Haushalte höher ist, oder dass auch die Gewinnmargen der Unternehmen höher sind. Das alles spricht dafür, dass es der globalen Konjunktur besser gehen kann als dies bei höheren Erdölpreisen der Fall wäre».
Allerdings rechnen die meisten Ökonomen nun mit einer Stabilisierung auf günstigem Niveau. Das heisst: Ein weiterer Preisrückgang ist unwahrscheinlich. Denn mit der Zeit wird das Überangebot an Öl von der wachsenden Nachfrage aufgesogen. Und dann dürfte der Ölpreis wieder steigen.