Die Diskussion um Freihandel sorgt immer wieder für heisse Köpfe. Jüngstes Beispiel ist Ceta: Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada stiess auf heftigen Widerstand, bis es in letzter Minute doch noch unterschrieben wurde.
Beginnt nun eine Ära des Protektionismus? Und was bedeutet das für die Wirtschaft? Am Europa Forum gingen heute Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik dieser Frage nach.
Trumps Politik als Gefahr für den Wohlstand
Mit Donald Trump ist in der grössten Volkswirtschaft der Welt ein Präsident an der Macht, der dem freien Welthandel viel Skepsis entgegenbringt. Zwar sind Trumps Aussagen zum Freihandel wenig greifbar, der Tenor ist aber klar protektionistisch. Das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP wird nach Trumps Wahl erst einmal auf Eis gelegt. Zu unkonkret sind seine Absichten hinsichtlich des Handelsabkommens zwischen der EU und den USA.
Eine Rückwärtsbewegung der Globalisierung durch Trump sei schlecht für den Wohlstand, sagt Hans-Werner Sinn, Professor an der Ludwig-Maximilian-Universität München: «Wohlstand kommt durch Spezialisierung. Wird diese eingeschränkt, leiden die Verbraucher, da sie dann die teureren Produkte aus dem Heimatland kaufen müssen». Die Gewinner seien hingegen die Produzenten, die aufgrund der Globalisierung nicht mehr wettbewerbsfähig sind.
Offene Arbeitsmärkte, und damit Zuwanderung, sind eng mit Freihandel verknüpft. Dass eine unbeschränkte Zuwanderung in der Schweiz aber auf politischen Widerstand stösst, ist spätestens seit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative klar. Wie deren Umsetzung aussehen wird und welche Auswirkungen die Initiative auf den Arbeitsmarkt haben wird, ist hingegen noch unsicher. Auch weltweit ist Protektionismus ein Thema geworden, zumal auch der Brexit davon motiviert war, den heimischen Arbeitsmarkt zu schützen.
Immer mehr Produktionsstätten im Ausland
Die jüngsten Ereignisse bereiten Michael Ziesemer, Verwaltungsratsmitglied der Endress+Hauser Gruppe, Sorgen. Noch würde er zwar genügend Fachkräfte finden, sagt Ziesemer: «Allerdings brauchen wir immer mehr Zeit, Stellen zu besetzen».
Jürgen Rainalter, Geschäftsführer Getzner Werkstoffe, sieht nur eine Lösung: Produktionsstätten ins Ausland zu verlagern. «Wir müssen das Personal vor Ort rekrutieren, weil wir es hier einfach nicht mehr bekommen», sagt Rainalter.
Weniger pessimistisch zeigt sich Erik Neumann, Chief Executive Officer der Richmond Events AG. Er sieht die aktuellen Entwicklungen nicht als Verlust der Freiheit für die Wirtschaft, sondern vielmehr als Chance, sich innerhalb der veränderten Rahmenbedingungen neu zu erfinden.
Rauer Wind
Dem Freihandel weht auch in Zukunft ein rauer Wind entgegen. Globalisierungskritiker haben Auftrieb in Europa. Italiens Populisten wittern ihre Chance beim Verfassungsreferendum im Dezember, da Italiens Premier Matteo Renzi seine politische Karriere von dessen Ausgang abhängig macht.
Gemäss Umfragen wird es bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich zu einer Stichwahl zwischen den Konservativen und der Rechtspopulistin Marine Le Pen kommen. Und in Deutschland sind die Chancen der rechtspopulistischen Partei AfD bei den Bundestagswahlen gestiegen.