In den 1970er Jahren drehte sich alles um den US-Dollar. Alle wichtigen Devisen waren damals an die US-Währung gekoppelt. Und via fixe Wechselkurse übertrug sich die US-Wirtschaftspolitik jeweils direkt auf die angehängten Länder, wie Jörg Baumberger sagt. Er ist Experte für Finanzgeschichte und emeritierter Professor für Volkswirtschaft an der Universität St. Gallen.
Die USA hätten damals schon seit über zehn Jahren eine eher inflationäre, nicht primär auf Preisstabilität ausgerichtete Geldpolitik verfolgt. Diese lockere US-Geldpolitik schwächte den Dollar, beziehungsweise trieb den Franken in die Höhe. Deshalb musste die Schweizerische Nationalbank ständig Gegensteuer geben: sie musste immer wieder neu Dollar kaufen und Franken verkaufen. Andernfalls wäre der Franken aus dem Wechselkursband ausgebrochen.
Nationalbank kapituliert und kippt Währungs-Bindung
Zunächst lebten alle gut damit, dass die Nationalbank den Franken künstlich schwächte. Denn so waren Schweizer Güter und Dienstleistungen im Ausland vergleichsweise billig: «Die Wirtschaft, Industrie und Gewerkschaften waren einigermassen zufrieden, weil das eine ziemlich gute Konjunktur schuf», so Baumberger.
Als Folge der Frankenschwemme begannen dann aber auch hierzulande die Preise anzuziehen. Die Jahresteuerung erreichte sieben Prozent und mehr. In der Folge verloren Löhne und Renten an Wert. Trotzdem musste die Nationalbank immer noch mehr Franken auf den Markt werfen, um den fixen Wechselkurs zu halten.
Als Notlösung versuchte sie dann, das Kursband in mehreren Schritten nach oben zu verschieben. Aber es half alles nichts: Der Aufwertungsdruck blieb – bis die Nationalbank im Januar 1973 kapitulierte und die Bindung an den Dollar kappte.
Wirtschaft reagiert geschockt
Der damalige Entscheid sei ähnlich überraschend gekommen, wie die jüngste Abschaffung des Euro-Franken-Mindestkurs, sagt Ökonom Baumberger. «Vermutlich hatte man weder in der Nationalbank noch in der Wirtschaft den rapiden Aufstieg des Schweizer Frankens erwartet.» Sofort wertete sich der Franken gegenüber dem Dollar um rund 40 Prozent auf.
Für die Schweizer Wirtschaft war das ein Schock. Die Exportindustrie, der Tourismus und auch die Bauwirtschaft schlitterten in eine Krise. Und weil ein Unglück selten allein kommt, erlebte die Welt dann auch noch den ersten Ölpreis-Schock. Quasi über Nacht verteuerten sich die Preise für Erdöl um mehr als das Doppelte. Die Schweizer Wirtschaft stürzte in eine schwere Rezession und schrumpfte um sieben Prozent.
Manchmal muss man, um der langen Frist wegen, kurz- und mittelfristig Opfer auf sich nehmen.
Das Einzige, was einigermassen stabil blieb, war der Arbeitsmarkt. Damals konnte die Schweiz die Arbeitslosigkeit noch exportieren: «Saisonniers und ausländische Arbeitskräfte waren so etwas wie die ‹Manövriermasse› des schweizerischen Arbeitsmarkts – er wurde getroffen, aber nicht in aller Härte», so Baumberger.
Es folgte eine jahrelange Durststrecke. Trotzdem blieb der Franken stark – zunehmend nicht mehr nur gegenüber dem Dollar, sondern auch gegenüber der D-Mark. Wirtschaft und Gesellschaft stöhnten. Aber die Nationalbank hielt unbeirrt an ihrem rigiden Kurs fest. Sie wollte die Inflation wieder auf ein erträgliches Mass zurückfahren.
Trost aus der Vergangenheit?
Rückblickend gesehen, sei das richtig gewesen, denn sie habe mit dieser Politik die Grundlage für ein stabiles Wachstum geschaffen, sagt der emeritierte Wirtschaftsprofessor: «Manchmal muss man, um der langen Frist wegen, kurz- und mittelfristig Opfer auf sich nehmen.»
Wie in den 1970er Jahren steht der Schweizer Wirtschaft nun wohl erneut ein langwieriger Anpassungsprozess bevor. Es mag immerhin ein Trost sein, dass sich der Franken als erste Reaktion nur 15 Prozent aufgewertet hat und nicht wie damals 40 Prozent.