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Wirtschaft «In manchen Branchen macht Inländervorrang keinen Sinn»

Die Zuwanderung soll begrenzt werden: Das hat das Schweizer Stimmvolk vor knapp einem Jahr entschieden. Wirtschaftsverbände wollen deshalb vermehrt auf einheimisches Personal setzen. Doch einen absoluten Vorrang für inländische Arbeitskräfte lehnen sie ab. Arbeitgeberpräsident Vogt sagt, wieso.

SRF: Sie sagen, die Schweizer Wirtschaft würde alles daran setzen, das Potenzial der inländischen Fachkräfte besser zu nutzen. Haben Sie das bisher versäumt?

Valentin Vogt: Nein, das haben wir nicht. Aber ich denke, die Anstrengungen gilt es jetzt zu verstärken. Denn die Zuwanderung wird zurückgehen. Wir müssen Arbeitskräfte haben. Und die müssen wir jetzt halt im Inland rekrutieren.

Einen fixen Inländervorrang wollen Sie aber nicht. Weshalb?

Nein. Es gibt Branchen, in denen ist es hoffnungslos, jemanden im Inland zu finden. Da macht es auch keinen Sinn, einen Inländervorrang zu haben.

Und Sie haben Angst, dass die EU den nicht akzeptieren würde?

Dreiteiliges Modell:

Box aufklappen Box zuklappen
  • Einführung einer Schutzklausel für Zuwanderung aus EU-/EFTA-Staaten
  • Konsequentere Nutzung des inländischen Arbeitskräftepotenzials, um die Nachfrage nach ausländischen Arbeitskräften zu senken
  • Stopp des «rasanten Zuwachses» von Stellen im Staat und staatsnahen Betrieben

Nein, das ist nicht primär die Angst. Es sind primär die Vernunft und die Wirklichkeit, die uns dazu zwingen, so vorzugehen.

Sie wollen auch, dass der Staat künftig weniger ausländische Mitarbeiter ins Land holt. Schiebt die Privatwirtschaft den Schwarzen Peter damit nicht dem Staat zu?

Nein. Das tut die Privatwirtschaft nicht, sondern wir haben ein Dreisäulenkonzept (siehe Box) vorgestellt. Eine der drei Säulen ist auch der Staat. Zwei Drittel der Zuwanderung der letzten Jahre, die wir in diesem Land hatten, sind durch Staats- und staatsnahe Betriebe erfolgt. Ich glaube, es macht keinen Sinn, wenn sich an einem Drittel etwas ändert, und an den anderen zwei Dritteln nicht. Wir stellen ein Gesamtkonzept vor.

Staatliche Stellen, das sind vor allem Jobs im Gesundheitswesen. Ein Spital ohne ausländische Arbeitskräfte funktioniert nicht, hat man den Eindruck. Dennoch soll es dort künftig weniger Ausländer geben?

Nein, in den staatlichen zwei Dritteln sind ja nicht nur die Spitäler. Es gibt auch die öffentliche Verwaltung, die massiv ausgebaut wurde in den letzten Jahren. Es geht darum, diese Zuwanderung gemeinsam, also die Privatwirtschaft mit den staatsnahen und staatlichen Betrieben zusammen, einzuschränken. Ich glaube, es wäre nicht fair, wenn nur die Wirtschaft davon betroffen wäre.

Audio
Zuwanderungsbegrenzung - Schweizer Wirtschaft will's schmerzlos
aus Rendez-vous vom 08.01.2015. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 9 Sekunden.

Sie wollen die Inländer – im Idealfall – fördern. Dann müsste man die Schutzklausel gar nie bemühen, also die Zuwanderung gar nie begrenzen. Ist es nicht utopisch, dass die Schweiz innert nützlicher Frist genügend eigene Fachleute hat?

Die Idee ist, dass wir diese Schutzklausel so legen wollen, dass es auch ein Anreiz für die Wirtschaft ist, dass sie gar nie angerufen werden muss. So dass im Prinzip die Personenfreizügigkeit frei spielt. Und die Wirtschaft unternimmt Anstrengungen. Es wird eine gewisse Zeit brauchen, bis wir dieses Potenzial im Inland auch selbst ausnützen können. Aber wir gehen davon aus, dass wir auch im Inland weitere Potenziale mobilisieren können.

Es wäre widersinnig, eine Zahl anzusetzen, die höher ist als die heutige Zuwanderung.
Autor: Valentin Vogt Präsident des Arbeitgeberverbands

Besteht da nicht die Befürchtung, dass die Schutzklausel eine reine Alibiübung wird, dass sie so hoch angesetzt wird, dass sie eben gar nie greifen muss?

Nein, das wollen wir nicht. Ich meine, wir haben die Message der Bevölkerung verstanden. Die Bevölkerung in diesem Land will, dass die Zuwanderung zurückgeht. Es wäre widersinnig, eine Zahl anzusetzen, die höher ist als die heutige Zuwanderung. Wir wollen sie auch flexibel halten. Das heisst, dass man – je nach dem, wie sich die Demografie entwickelt – diese Zahl anpassen kann. Wir haben heute im Arbeitsmarkt etwa 5000 Leute mehr pro Jahr, die in Rente gehen, als neu in den Arbeitsmarkt kommen. In zehn Jahren werden es 50'000 Leute sein. Die Zahl kann nicht dieselbe sein wie in zehn Jahren. Ausserdem wissen wir auch nicht, wie die Konjunktur dann aussehen wird.

Das Gespräch führte Eveline Kobler.

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