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Wirtschaft Millionen in Millisekunden

Die Rufe nach einer Kontrolle des ultraschnellen, computergesteuerten Börsenhandels werden lauter. Der Vorwurf: Im Hochfrequenzhandel sollen sich Akteure in Mikrosekunden bereichern – zum Schaden traditioneller Anleger.

Spätestens seit dem «Flash Crash» vor vier Jahren herrscht weltweit Alarmstimmung gegenüber ultraschnellen Rechnern. Innerhalb von sechs Minuten sackte ein Leitindex an der US-Börse um sechs Prozent ab – erholte sich aber in den darauffolgenden Minuten wieder. Ein Vorfall, der bis heute weitgehend unerklärt bleibt.

In den USA laufen bereits 50 Prozent aller Börsenaufträge ohne menschliches Zutun über autonome Rechner. In der Schweiz sind es 15 Prozent. Die Schweizer Börse setzt auf den Hochfrequenzhandel als Geschäftsmodell – und sie setzt auf Selbstregulierung.

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Christian Katz zu Regulierungen
Aus ECO vom 13.10.2014.
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Zeitgleich laufen in den USA, der EU und in der Schweiz Bemühungen, den Hochfrequenzhandel unter Kontrolle zu bringen. Hierzulande ist ein neues Finanzmarkt-Infrastruktur-Gesetz in Vorbereitung. Franca Contratto, Assistenzprofessorin für Finanzmarktrecht an der Uni Zürich, will gar, dass neben der Finanzmarktaufsicht Finma auch die Schweizerische Nationalbank SNB die Kontrolle über die Abläufe im Hochfrequenzhandel übernimmt – so wie es die Währungshüter heute bereits bei Zahlungsverkehr und der Effektenabwicklung tun. Bei der Schweizer Börse stösst dieser Vorschlag auf Ablehnung, wie deren Chef Christian Katz in «ECO» sagt.

Hochfrequenzhändler als «Parasiten»

Der US-Börsenbroker Joe Saluzzi verügt über einen vertieften Einblick in die Hochfrequenzbranche und lässt kein gutes Haar an dessen Händlern: «Wenn sie an der Börse einen Käufer entdecken, dann eilen sie ihm voraus, kaufen alle Aktien auf und verkaufen sie ihm weiter. Das ist für mich ein Parasit. Er schafft keinen zusätzlichen Wert, sondern er schöpft Werte ab an der Börse.»

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Joe Saluzzi über den problematischen Hochfrequenzhandel (eng.)
Aus ECO vom 10.10.2014.
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Seine Informationen sind in das Buch «Flash Boys» eingeflossen, für das der US-Autor Michael Lewis in der vergangenen Woche mit dem Deutschen Wirtschaftsbuchpreis ausgezeichnet worden ist.

Das umstrittene «Front Running» ist für die Hochfrequenzhändler praktisch risikolos. Die US-Börsenaufsicht hat angekündigt, sie wolle den Hochfrequenzhandel gesetzlich stärker kontrollieren.

Im Hochfrequenzhandel zählt jeder Meter Entfernung. Mikrosekunden sind entscheidend für die ultraschnellen Abwicklungen. Nur eine Autostunde von der Wall Street entfernt, in Mahwah, im Bundesstaat New Jersey, betreibt die New York Stock Exchange ihr riesiges Datenzentrum. Ein Hochsicherheitsgebiet. Dort vermietet sie den Hochfrequenzhändlern Raum; so gelangen sie möglichst nahe an die Börsen-Rechner.

Hochfrequenzhandel

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Wertpapier-Handel, der ohne menschliches Zutun auskommt – das ist High Frequency Trading. Computer kaufen und verkaufen autonom Wertpapiere. Kennzeichen dieser Handels-Form sind kürzeste Haltefristen und hohe Umsätze.

«ECO» vom 10.01.2011: Hochfrequenz-Handel: Spiel mit dem Feuer

Zuweilen birgt das Rennen um Sekunden-Bruchteile Gefahren: Als dem Hochfrequenzhändler Knight Capital vor zwei Jahren die Software entglitt, verlor das Unternehmen innert einer Stunde 460 Millionen Dollar. Knight rettete sich nur, indem er sich von einer anderen Firma übernehmen liess.

Als Opfer sehen sich aber vor allem die traditionellen Anleger. Die Stadt Providence im US-Bundesstaat Rhode Island etwa klagt gegen die Wall Street. Sie verlangt Schadenersetz; sie fühlt sich geprellt durch das Zusammenspiel räuberischer Hochfrequenzhändler mit den Börsen. Rechtsanwalt Jeffrey Padwa vertritt die Stadt in dieser Sache: «Die Börsen überliessen den Hochfrequenzhändlern aktuellste Börsendaten. Sie durften ihre Computer in unmittelbare Nähe der Börsenrechner stellen, die Aktienkäufer- und Verkäufer zusammenbringen. Und sie schafften Bedingungen, damit Hochfrequenzhändler Einblick hatten, wenn jemand handeln wollte.»

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Brad Katsuyama über seine neue Börse (eng.)
Aus ECO vom 10.10.2014.
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Technologisch ausbremsen

Brad Katsuyama will das Vertrauen der Investoren zurückgewinnen. Seine Handelsplattform IEX im Zentrum des New Yorker Finanzdistriktes soll schon bald die zwölfte offiziell zugelassene Börse der USA werden. Sie will die Hochfrequenzhändler technologisch ausbremsen. «Ein traditioneller Anleger kann bei uns nicht von einem Hochfrequenzhändler mit seinen schnelleren Signalen übervorteilt werden», sagt Brad Katsuyama, der heute rund ein Prozent des US-Börsenvolumens an der IEX abhandelt, im Interview mit «ECO».

Zu seinen 135 Kunden zählen Grössen wie Goldman Sachs. Sie scheinen inzwischen erkannt zu haben, dass das wahre Kapital das Vertrauen der Investoren ist.

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