Der Bau eines Druckwasserreaktors der neuesten Generation in der Normandie verzögert sich weiter. Die Kosten haben sich verdreifacht. Die Geschäftsprognosen für die kommenden Jahre sind obsolet geworden und die Ratingagentur Standard & Poors hat Areva auf Ramschstatus zurückgestuft.
Die Meldungen der letzten Tage haben den Atompolitikberater Mycle Schneider in Paris nicht überrascht: «Dieser Konzern schwebt seit Jahren unter sehr schwierigen Umständen dahin und orientiert sich leider mehr an Wunschdenken als an der Realität.»
Private Investoren ziehen Geld ab
Für Schneider, Co-Autor des kritischen World Nuclear Industry Status Report, sind die Probleme von Areva typisch für die Industrie weltweit. Versprechen bezüglich neuer Technologien und neuer Kraftwerke müssten laufend revidiert werden.
Gleichzeitig sei das bisherige Geschäftsmodell von grossen AKWs ins Wanken gekommen, sagt Schneider. Die Atomstromproduktion wird wegen erhöhter Sicherheitsvorschriften teurer, während die neuen erneuerbaren Energieträger wie Sonnenstrom ständig günstiger würden. Angesichts solcher Tatsachen ziehen private Investoren ihr Geld ab. Allein letzte Woche ist der Areva-Aktienkurs um 20 Prozent eingebrochen.
AKWs sparen auf Kosten der Sicherheit
Für die fünf Schweizer Atomkraftwerke, die alle in irgendeiner Form mit Areva zusammenarbeiten, habe die aktuelle Krise wohl keine kurzfristigen Folgen, meint Schneider: «Der französische Staat wird Areva nicht pleite gehen lassen. Aber es sollte als Warnsignal in der Branche gelten. Es ist auch für die Betreiber von Atomkraftwerken höchste Zeit, sich Gedanken zu machen, wie sich die Kosten in diesem Bereich entwickeln werden.»
Insbesondere die effektiven Kosten zum Rückbau der AKWs würden wohl früher an- und höher ausfallen als heute angenommen. Und Areva müsse nun an allen Ecken sparen. Die Gefahr, dass dies auch auf Kosten der Sicherheit geschehe, erachtet Schneider als real.