Sichere Online-Identität, Kryptowährung, universelles Grundeinkommen – der Worldcoin will all das möglich machen. In der Technologiewelt hat das ambitionierte Projekt in den letzten Monaten für viel Aufmerksamkeit gesorgt – auch weil dahinter Sam Altman steht, Gründer der KI-Firma OpenAI, die für den Chatbot ChatGPT verantwortlich ist.
Zu Worldcoin gehören neben der Kryptowährung auch die Worldcoin-App, die als elektronisches Portemonnaie funktioniert, und ein Identifikationssystem, die sogenannte World ID. Sie ist mit der App verbunden und soll einmal alle Menschen der Welt erfassen. Und sie ist an ein unverwechselbares biometrisches Merkmal geknüpft: die Iris, die Regenbogenhaut des Auges.
Krypto-Kolonialismus im globalen Süden
In den vergangenen zwei Jahren hat Worldcoin deshalb in 35 Städten Augen scannen lassen. Die Schweiz war nicht dabei, dafür aber 20 andere Länder wie Indonesien, der Sudan, Ghana oder Kenia. In Nairobi etwa standen Tausende Schlange, um die Daten ihrer Iris erfassen zu lassen. Denn als Prämie winkte ein Worldcoin-Guthaben von umgerechnet fast 50 Franken – für viele Kenianerinnen und Kenianer mehr als ein Wochenlohn.
Allerdings: Aus Datenschutz- und Sicherheitsbedenken liess die kenianische Regierung das Projekt rasch stoppen. Und Unregelmässigkeiten beim Datensammeln soll es auch in anderen Ländern des globalen Südens gegeben haben. Rasch wurde der Vorwurf laut, Worldcoin betreibe eine Art Krypto-Kolonialismus: Die Not armer Menschen werde ausgenutzt, um an möglichst viele Iris-Scans zu kommen – wertvolle Daten, mit denen sich die eigenen Erkennungssysteme trainieren lassen. Im Unterschied zum Einsatz im Westen spiele der Datenschutz dabei kaum eine Rolle.
Der Sicherheitsexperte ist kritisch
Aber auch die Leute, die sich in den USA, in Norwegen oder in Deutschland ihre Augen haben vermessen lassen, sollten sich nicht zu sicher fühlen. Denn Fachleute für Datensicherheit beurteilen das Sammeln biometrischer Daten generell sehr kritisch – schliesslich können Erkennungsmerkmale wie die Iris im Notfall nicht so einfach geändert werden wie etwa ein Passwort.
So eine Sammlung ist ein sehr attraktives Ziel für jeden Geheimdienst der Welt.
Bryan Ford, Informatik-Professor an der EPFL in Lausanne, etwa stellt fest: «So eine Sammlung ist ein sehr attraktives Ziel für jeden Geheimdienst der Welt.» Fords Wort hat Gewicht: Wenn Worldcoin behauptet, den sogenannten «Proof of Personhood» gelöst zu haben (also eine Person dank ihrer Iris-Daten im Internet eindeutig identifizieren zu können), dann bezieht sich das Unternehmen auf einen Begriff, den Bryan Ford selbst in die Welt gesetzt hat.
Bis heute gebe es für den «Proof of Personhood» aber keine Methode, die vollständigen Datenschutz garantiere, sagt der Sicherheitsexperte: «Noch nicht einmal die Grundlagenforschung ist abgeschlossen. Wenn Worldcoin nun behauptet, das Problem gelöst zu haben, dann ist das ziemlich anmassend.»
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Wie jede Münze hat der Worldcoin also zwei Seiten: Auf der einen Seite die vollmundige Behauptung der Macher, eine sichere Identität geschaffen zu haben und damit auch die Grundlagen für ein weltweites universelles Grundeinkommen. Auf der anderen Seite Kritikerinnen und Kritiker, die dem Projekt mangelnde Sensibilität im Umgang mit dem Datenschutz vorwerfen.