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Wissenschaft Zähne aus dem Labor – bald eine Revolution für die Zahnmedizin?

Forschenden in London ist es gelungen, zahnähnliche Strukturen zu züchten. Noch wurden dafür zwar keine menschlichen Zellen verwendet. Doch das soll sich langfristig ändern. Ein Überblick.

Darum geht es: Zähne im Labor auf Reserve herzustellen, dieser Traum existiert bei Forschenden schon lange. Denn im Gegensatz zu Haien oder Elefanten wachsen die Zähne bei Menschen nicht nach. Füllungen oder Implantate können zwar bereits bei einem Zahnverlust eingesetzt werden, doch ein Forschungsteam am King’s College in London hat nun eine mögliche Alternative entdeckt, bei der die Zähne künftig auf natürliche Art und Weise ersetzt werden könnten.

Person hält grosses Zahnmodell mit Mikrochip vor blauem Hintergrund.
Legende: Ein Forschungsteam konnte in London einige Forschungslücken der Zahnmedizin schliessen. Keystone / STEVE HOLLAND

Die Ergebnisse: Das Forschungsteam konnte in einer Studie wichtige Erkenntnisse über die Umgebungsbedingungen gewinnen, die für das Zahnwachstum im Labor erforderlich sind. Sie entwickelten ein spezielles Material, das die Kommunikation zwischen Zellen ermöglicht. «So kann eine Zelle einer anderen Zelle effektiv ‹befehlen›, sich zu einer Zahnzelle zu differenzieren», schreiben die Forschenden der Studie.

Die Herausforderung: Die Schwierigkeit besteht nun laut Studienautoren darin, diese Umgebung aus dem Labor in den Mund von Patientinnen und Patienten zu übertragen. Zähne bestehen aus verschiedenen Zellen, was sie sehr komplex macht. Das sagt auch Michael Bornstein, Professor am Universitären Zentrum für Zahnmedizin in Basel, und zieht den Vergleich zu einem Orchester: «Es gibt keine Solisten, sondern es handelt sich um ein Zusammenspiel von mehreren Instrumenten.» Aktuell könnten zudem erst zahnähnliche Strukturen, «in diesem Sinne Zahnkeime, Organoide», im Labor hergestellt werden, so Bornstein. Der nächste Schritt sei, dass diese Strukturen dann auch Hartsubstanz herstellen.

Mögliche Szenarien des Zahnwachstums: Die Forschenden beschreiben zwei verschiedene Möglichkeiten, die künftig angewendet werden können, um Zähne in den Mund der Patientinnen und Patienten zu implantieren. Eine Möglichkeit wäre demnach, den ganzen Zahn im Labor herzustellen und diesen dann vollständig in den Mund zu implantieren. Eine andere Möglichkeit sei, dass junge Zahnzellen an die Stelle des fehlenden Zahns transplantiert werden könnten und der Zahn dann im Mund wachsen könnte.

Medikament für Zahnwachstum

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Eine japanische Forschungsgruppe hat an einem Medikament geforscht, mit dem fehlende Zähne wiederhergestellt werden können. Es soll hauptsächlich bei Kindern zur Anwendung kommen, bei denen die Zähne nicht wachsen und die einen genetischen Defekt aufweisen. In diesen Fällen soll das Medikament stimulierend auf die Entwicklung der Zahnanlage wirken. Bei Patientinnen und Patienten über 40 Jahre ist die Wirkung des Medikaments laut Experten aber eher gering.

Vorteile gegenüber der heutigen Technik: Dass Zähne aus dem Labor bald Füllungen ersetzen werden, glaubt Bornstein weniger, denn solche Transplantate aus dem Reagenzglas seien aufwändig und «das wird sicher auch nicht günstig». Bei klassischen Implantaten mit Fremdmaterialien wie Titan oder Zirkon sieht Bornstein aber durchaus Chancen für die neue Technik. Denn: «Die Probleme der heutigen Implantologie betreffen vor allem Knochenmangel», wodurch die Prothesen schlecht halten. Zudem könnten sich auch Erkrankungen um den Knochen der Implantate bilden. Künftig könnten deshalb Laborzähne Abhilfe schaffen. Bornstein meint aber: «Jede neue Technologie bringt Lösungen, aber auch weitere Challenges, weil die neue Option dann auch gewisse Risiken birgt.»

Künftige Anwendung: Das Forschungsteam in London hat für die Studie Zellen von Mausembryonen verwendet. Bis im Labor gezüchtete Zähne dann auch wirklich beim Menschen eingesetzt werden können, dauert es wohl noch. Bornstein glaubt: «In meiner aktiven Karriere werde ich das wohl nicht mehr erleben.»

SRF 4 News, 15.4.2025, 16:47 Uhr ; 

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