Roland Kaiser zählt seit bald fünf Jahrzehnten zu Deutschlands bekanntesten Showgrössen. Aber der Sänger bezieht als SPD-Mitglied auch politisch klar Stellung.
SRF: Über sich selbst in den 80er Jahren sagen Sie: «Ich war damals ein kleines Arschloch.» Bereuen Sie vieles?
Roland Kaiser: Wer jung viel Erfolg hat, glaubt a) dass es immer so weitergeht und b) dass er die Weisheit mit dem Löffel gefressen hat. Aber heute bin ich demütig und dankbar.
Fusst das in ihrer Herkunft? Sie sind bei einer Pflegemutter aufgewachsen – ohne Fernseher, Telefon und Auto.
Es ist gut, zu wissen, wo man herkommt. Damit man das nicht vergisst.
Ein Land ohne Migration verliert seinen Wohlstand.
Wegen einer Krankheit bekamen Sie 2010 eine Lunge transplantiert.
Ja, ich bin praktisch 15 Jahre alt (lacht).
Warum haben Sie ihr jahrelanges Leiden zuvor nicht öffentlich gemacht?
Ich glaubte, die Leute würden einem Künstler keine Schwächen verzeihen. Ein Irrtum! Das jahrelange Schweigen hätte ich mir ersparen können.
Wie geht das SPD-Mitglied Roland Kaiser damit um, dass der Ton derzeit – nicht nur in der Politik – rauer wird?
Ich glaube an das Gute im Menschen und setze darauf, dass wir irgendwann merken, dass wir umdrehen müssen, bevor wir uns die Schädel einschlagen.
Liebe hört ja nicht beim Händchenhalten auf. Das geht ja weiter – und dieses ‹weiter› interessiert mich extrem.
Gerade wird viel über Begrenzung der Einwanderung gesprochen.
Ein Land ohne Migration verliert seinen Wohlstand. Aber ich glaube, dass man mit diesem Thema nach der Wahl vernünftiger umgehen wird.
Wie halten sie es mit der AfD?
Eine Demokratie verträgt eine solche Partei, aber die Mitte-Parteien müssen darauf bedacht sein, die Hoheit zu behalten.
Sie zeigen Zivilcourage. Kann man das lernen?
Da ist ja jeder anders. Ich sage, was ich denke.
Traut man Schlagersängern eine klare Haltung oft nicht zu?
In Amerika ist fast jeder Künstler deutlich und klar, wenn Wahlen anstehen. Bei uns ist das in meinem Genre nicht unbedingt so üblich.
Sie haben John F. Kennedy als Kind in Berlin reden gehört und dabei Euphorie, aber auch Kriegsangst verspürt. Spüren Sie das auch heute?
In Berlin war damals die Bedrohung aus dem Osten sehr stark. Kennedy war daher für die Leute ein Held. Aber Kriegsangst verspüre ich heute nicht.
Wofür steht der Titel ihres neuen Albums «Marathon»?
Es ist ein Abbild meines Lebens. Ich hatte beruflich das Glück, nicht einen Sprint, sondern einen Marathon absolvieren zu dürfen. Diesbezüglich bin ich ungefähr bei Kilometer 30.
Trotz unzähliger Hits bringen Sie noch neue Platten heraus und gehen immer wieder auf Tournee. Warum eigentlich?
Ich will nicht aufhören, solange es mir Freude macht und sich Menschen für meine Konzerte und Alben interessieren.
Sie haben mit teils halb-schlüpfrigen Texten grosse Hits gehabt und wurden als Soft-Pornograf des Schlagers bezeichnet. Hat sie das gestört?
Nein. Als ich anfing, Texte zu schreiben, habe ich zu meinem Produzenten gesagt: Liebe hört ja nicht beim Händchenhalten auf. Das geht weiter – und dieses ‹weiter› interessiert mich extrem.
Also durchaus auch eine Provokation?
Ja klar, bewusst. Ich bin da durchaus in guter Gesellschaft. Udo Jürgens war da nicht viel anders. Der war auch zuweilen recht schlüpfrig. Und das ist ja okay.
Haben Sie Angst, gecancelt zu werden?
Also, da habe ich keine grossen Sorgen.
Das Gespräch führte Urs Gredig.