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Fünf Jahre nach dem Shutdown Dank Corona-Krise den Jobwechsel geschafft

Ob als Lokführer, Cafébesitzerin oder Töpferin: Der erste Shutdown vor fünf Jahren brachte viele Einschränkungen, aber auch Chancen. Diese drei Menschen haben den Neuanfang gewagt. Mit Erfolg.

«Bleiben Sie zu Hause.» Diese Aussage des damaligen Bundesrats Alain Berset bleibt in Erinnerung. Am 16. März 2020 erklärte der Bundesrat aufgrund des Coronavirus den Notstand und somit den Shutdown.

Truppen wurden mobilisiert, Veranstaltungen untersagt und Geschäfte sowie Restaurants mussten ihre Türen schliessen. Lediglich Gesundheitsdienste und Lebensmittelläden blieben weiterhin geöffnet.

Der Alltag wurde völlig auf den Kopf gestellt. Viele Arbeitnehmende mussten ins Homeoffice, Arbeitsplätze, die nicht ins Homeoffice verlagert werden konnten, mussten schliessen. Kurzarbeit wurde eingeführt, um Unternehmen und Arbeitsplätze zu stützen.

Plötzlich viel Zeit zum Nachdenken

Doch der Shutdown hatte auch positive Seiten. Er verlangsamte das hektische Tempo des Alltags, was vielen Menschen ermöglichte, ihre Prioritäten zu überdenken. Viele haben mehr Zeit mit der Familie verbracht oder für sich selbst gewonnen und neue Hobbys entdeckt.

Stefan Traub verhalf der Shutdown dazu, sein Leben zu überdenken. Und zu realisieren, dass es Zeit für etwas Neues ist.

Aber von vorn. Vor dem ersten Shutdown arbeitete der damals 32-Jährige für ein Baumaschinen-Unternehmen im Büro als Team- und Projektleiter. «Ich war nicht unglücklich, aber ich habe mich nach einer Veränderung gesehnt», sagt der Basler. Der Lockdown wurde ausgerufen und er landete im Homeoffice.

Ich sagte mir, Stefan, jetzt ist das der Moment.
Autor: Stefan Traub Wurde während der Pandemie Lokführer

Plötzlich habe er viel Zeit gehabt, nachzudenken. Traub wollte einen beruflichen Wechsel. Als er hörte, dass die SBB Lokführer suchen, nutzte er die Chance und er bewarb sich: «Ich sagte mir, Stefan, jetzt ist das der Moment.» Im Sommer 2021 konnte er die rund einjährige Ausbildung beginnen. Seitdem fährt er als Lokführer tagtäglich durch die halbe Schweiz.

Lokführer Stefan Traub im Führerstand
Legende: Stefan Traub hatte sich schon lange nach einem Wechsel gesehnt. Dann kam der Shutdown – und der Entschluss, Lokführer zu werden. SRF/Milena Burch

Vielleicht wäre er auch ohne Lockdown zum Lokführer-Beruf gekommen. Das sei heute schwierig zu sagen. Doch Traub ist sich sicher, Corona hat die Initialzündung gegeben.

Viele Jobwechsel während der Pandemie

Etwa ein Viertel der berufstätigen Personen in der Schweiz hat in der Pandemie den Job gewechselt, zeigt eine Studie der Business-Plattform Xing. Der häufigste Grund für den Stellenwechsel sei eine bessere Work-Life-Balance.

Ein Fünftel der Befragten gab an, für flexiblere Arbeitszeiten oder mehr Lohn den Arbeitgeber gewechselt zu haben. Dabei haben 30 Prozent ihre Stelle gekündigt, ohne dass sie eine verbindliche Zusage für einen neuen Job hatten. 

«Die Corona-Krise hat viele Menschen dazu veranlasst, darüber nachzudenken, wie viel Raum und welche Rolle der Beruf im eigenen Leben einnehmen soll», sagt Robert Bertschinger, Schweizer Geschäftsführer von New Work, dem Mutterunternehmen von Xing. 

Mehr Sinn im Beruf

Wieso entschied sich Stefan Traub für Lokführer? «Zum einen ist es ein Bubentraum», sagt er. Vorne in der Lok zu sitzen und mit 900 Tonnen durch den Gotthard zu fahren, diese Vorstellung habe ihn schon lange fasziniert.

Zum anderen wünschte er sich mehr Sinn in seinem Beruf: «Ich möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben.» Ihm gefalle der Gedanke, dass die Leute ohne ihn nicht von A nach B gelangen würden – und gleichzeitig, dass es seinen Job ohne sie gar nicht geben würde.

Stefan Traub ist ein pragmatischer Mensch. «Man verpflichtet sich nicht für immer, und wenn es einem nicht passt, kann man den Beruf ja wieder wechseln», sagt der heute 37-Jährige. Doch für ihn ist klar, Lokführer zu werden, war die beste Entscheidung. Bis heute.

Ein Café eröffnen – trotz Pandemie

Auch Anja Gilsenans Leben stellte sich während der Pandemie auf den Kopf. Damals arbeitete sie als Polydesignerin. Mitten im Lockdown bekam sie mit, dass die Besitzer der Alte Schmitte in Steffisburg BE das Lokal neu zur Pacht ausschreiben.

Das Ehepaar, das das Café über 20 Jahre lang führte, entschied während der Pandemie, den Betrieb aufzugeben. «Wir mussten die Chance ergreifen und es wagen», sagt Gilsenan. Sie habe schon länger den Traum vom eigenen Café gehabt. So übernahm sie zusammen mit ihrem Mann die Alte Schmitte.

Und dann kam der zweite Shutdown

Die beiden renovierten das Café und freuten sich auf die Eröffnung. Und dann kam der zweite Lockdown. «Damit hatte ich nicht gerechnet», sagt Gilsenan. Doch ihr und sie Mann liessen sich davon nicht beirren. Erst boten sie Take Away an, später konnten sie das Café für Gäste eröffnen. Mit Erfolg.

Cafébesitzerin Anja Gilsenan macht eine Abrechnung an der Bar.
Legende: Früher arbeitete Anja Gilsenan als Polydesignerin. Heute führt sie ein Café in Steffisburg BE. SRF/Milena Burch

Bedenken, während der Pandemie ein Café zu eröffnen, hatte die Bernerin keine – auch wenn es ein gewisses Risiko war. «Ich habe noch nie viel Geld gehabt und war es gewohnt, mit wenig auszukommen», sagt Gilsenan.

Ich hätte es bereut, wenn ich es nicht gewagt hätte.
Autor: Anja Gilsenan Hat während der Pandemie ein Café eröffnet

Ihr Mann und sie haben sich damals gefragt, was das Schlimmste wäre, was geschehen könnte. Dass der Erfolg ausbleibt? Dass sie das Geld, das sie in das Projekt gesteckt haben, verlieren? Für die 32-Jährige kein Grund, den Schritt nicht zu wagen. «Wir hatten viel Unterstützung und ein gutes Umfeld, darum hatten wir keine Angst, zu scheitern.»

Shutdown oder Lockdown?

Box aufklappen Box zuklappen

Unter Lockdown versteht man eine Ausgangssperre. Von einem Shutdown spricht man bei der Schliessung von Wirtschaftsbereichen. In der Schweiz wurden während der Corona-Pandemie Shutdowns angewendet, es gab keine generellen Ausgangssperren. Im Volksmund wird aber trotzdem oft von Lockdowns gesprochen. 

Manchmal vermisse sie es zwar ein bisschen, weniger Verantwortung zu haben. «Ich bin mit dem Kopf immer hier, auch wenn ich freihabe.» Aber Gilsenan hat den Schritt, während der Pandemie ein Café zu eröffnen, nie bereut: «Ich hätte es bereut, wenn ich es nicht gewagt hätte.»

Katastrophe für die Reisebranche

Denise Kratzer kann sich noch gut an den Moment erinnern, als der Notstand ausgerufen wurde. Sie arbeitete damals in der Reisebranche – einem Bereich, den die Einschränkungen des Shutdowns besonders hart traf. «Alles ist zusammengebrochen», sagt sie. Für Kratzer galt nun Kurzarbeit, und sie verbrachte viel Zeit zu Hause. Zeit, die sie in ihr Hobby Töpfern steckte.

Denise Kratzer steht im Schaufenster ihrer Töpferei in Zürich.
Legende: Wie soll man mit Töpfern Geld verdienen? Trotz solcher Aussagen eröffnete Denise Kratzer eine Töpferei – mit Erfolg. zVg

Während des Shutdowns kam die Zürcherin auf die Idee einer eigenen Töpferei. Zum einen aus eigenem Interesse. Kratzer töpferte zu Hause im Keller, musste dann aber ständig durch die halbe Stadt fahren, um ihre Stücke brennen lassen zu können. Zum anderen bemerkte sie, dass sich immer mehr Leute fürs Töpfern interessierten. Auch in den sozialen Medien wurde Töpfern zum Hype.

Negative Reaktionen aus dem Umfeld

Ihre Familie habe sehr gut auf ihren Entscheid reagiert, eine eigene Töpferei zu eröffnen. Sie wussten, dass Töpfern Denise Kratzers grosse Leidenschaft ist. Es habe zwar schon Leute gegeben, die noch ein veraltetes Bild im Kopf gehabt hätten: «Einige meinten, mit Töpfern kann man doch kein Geld verdienen.» Doch ihr Plan ging auf.

Corona war sozusagen mein Sprungbrett.
Autor: Denise Kratzer Eröffnete 2020 ihr eigenes Töpferstudio

«Ich hatte viel Zeit und steckte meine ganze Energie in das Projekt», sagt Kratzer. So fing sie 2020 erst klein an. Anfangs durften nur zwei Leute in einem Raum töpfern, mit den Lockerungen der Massnahmen konnte sie dann anfangen, Kurse zu geben. So habe das eine zum anderen geführt.

Heute führt die 47-Jährige eine Gemeinschaftstöpferei mit sechs Mitarbeitenden. «Corona war sozusagen mein Sprungbrett», sagt sie.

Radio SRF 1, Treffpunkt, 11.3.2025, 10 Uhr

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