Die Lebenserwartung der Menschen hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Wir leben aber nicht nur länger. Dank der Medizin sterben wir auch langsamer.
Immer mehr Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die schwer erkrankt sind, schreiben über das Sterben. Das stellt Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Corina Caduff fest. Sie hat selber schon mehrere Bücher rund ums Thema Tod und Sterben geschrieben. «Das Genre der sogenannten autobiografische Sterbeliteratur ist in den letzten ein bis zwei Jahren gewachsen.» Im öffentlichen Diskurs und in den Neuen Medien werde es immer häufiger thematisiert, sagt Caduff. «Auch in der Popkultur taucht es immer mehr auf.» So gibt es beispielsweise in Zürich das Festival «Hallo Tod!». Dort gibt es über mehrere Tage verschiedene Ausstellungen, Lesungen, Gespräche und Filme rund ums Thema Tod.
Mehr Selbstbestimmung durchs Schreiben
Dass mehr darüber gesprochen und von Betroffenen direkt darüber geschrieben wird, findet die Wissenschaftlerin wichtig. Als Patientin oder Patient ist man oft ausgeliefert und auf Ärzte, Pflegepersonen, Spitäler und Medikamente angewiesen.
Wir können unser Leben nicht verlängern. Doch wir können das, was wir haben, intensivieren.
Findet die Person jedoch einen eigenen Gestaltungsraum, um sich auszudrücken, kann das trösten: «Als Autorin oder Autor kann ich in dem Moment selber bestimmen, was ich schreibe, worüber ich schreibe, und bin unabhängig», sagt Caduff. Das gelte nicht nur bei Texten, sondern auch bei Videos, Fotografien oder einer anderen, beispielsweise handwerklichen Form der Gestaltung.
Das Sterben besser verstehen
Sterbeberichte können andererseits für Personen, die in der Palliative Care oder Seelsorge arbeiten, hilfreich sein. Was beschäftigt die sterbenden Personen? Welche Gedanken und Ängste haben sie? Denn auch gesunde Personen können sich mit den Themen Tod und Sterben auseinandersetzen.
«Wir können Empathie gegenüber dem eigenen zukünftigen Ich aufbauen. Denn sterben werden wir alle irgendwann.» Setzt man sich als gesunde Person damit auseinander, kann man die Gegenwart intensivieren und dankbar sein, sagt die Wissenschaftlerin: «Wir können unser Leben nicht verlängern. Doch wir können das, was wir haben, intensivieren.»