Take That veröffentlichen am Freitag ein Album, NSYNC steuern Songs zum neuen «Trolls»-Film bei, New Kids on the Block gehen wieder auf Tour. «Back for Good» ist nicht nur ein Take-That-Titel, sondern ein gegenwärtiges Revival vieler Boygroups aus den Neunzigern. Auch wenn die Jungs und ihre Fangemeinden mittlerweile eher im Alter von Knie- und Rücken-, als in dem von Herzschmerz sind: Das Altwerden ist nicht das einzige Problem in dem Business.
Alles nur Fassade
Boygroups sind immer schön, immer gut drauf und immer mit der richtigen Person zusammen. Und – was ziemlich unwahrscheinlich ist – Boygroups sind immer heterosexuell.
Doch Sexualität, Aussehen und Verhalten sind nicht organisch, sondern fremdbestimmt und vom Plattenlabel vertraglich vereinbart, wie diverse Dokumentationen aus den letzten Jahren aufzeigen. Wenn die Gruppen unter Vertrag sind, wird nicht nur Gesang und Tanz trainiert, sondern auch, wie sie sich geben, wie sie sprechen, was sie sagen und machen dürfen – und was nicht.
Auch bestimmt sind die Diäten und Lebensstile der Gruppenmitglieder. Von nicht rauchen, kein Alkoholkonsum bis hin zu vertraglich vereinbarten Schönheitsoperationen und Gewichtskontrollen findet man in den Verträgen alles, was die menschliche Würde schädigen kann. Auch die Vorgabe, wen man daten soll.
Doch wie sieht es aus, wenn man(n) auf dasselbe Geschlecht steht?
Du sollst nicht schwul sein
Lance Bass, schüchterner Herzensbrecher bei NSYNC, outete sich 2006 – elf Jahre nach der Gründung und vier Jahre nach der Auflösung der Gruppe – als homosexuell. Warum das so lange gedauert hat mit dem Outing, war keine persönliche, sondern eine geschäftliche Entscheidung, wie Bass selbst erzählt.
«Leute sehen dich als Vorbild, du darfst nicht rauchen, nicht trinken und keine Freundin haben.» Sein Management machte es klar, dass ein Outing nicht zur Debatte steht: «Schwul sein war keine Option», erzählt er im Podcast «Pod Meets World».
Schwul sein war keine Option.
Die Befreiung der Boygroups
Die ersten Boygroups, die sich aus den Fängen eines absoluten Missmanagements befreit haben, waren die Backstreet Boys und NSYNC, beide bei Mosikmogul und Boygroup-Erfinder Lou Pearlman unter Vertrag. Nach einigen Jahren Erfolg unter schlechtester Bezahlung haben die beiden Acts die Initiative ergriffen und auf Pearlmans «I Want It That Way» mit einem «Tell me why?» reagiert – vor Gericht. Denn Pearlman hat den Bands je 10'000 US-Dollar ausbezahlt für ihre Arbeit und die restlichen Millionen für sich behalten.
Nach dem Prozess hiess es «Bye Bye Bye» für Pearlman, er wurde 2008 zu 25 Jahren Haft verurteilt wegen Verschwörung, Geldwäsche und Insolvenzbetrugs im Wert von mehreren Hundert Millionen US-Dollar.
Und heute?
Boygroups aus den Neunzigern sind zwar mittlerweile erwachsen und emanzipiert und können sich Verträge aushandeln. Unverändert desaströs sieht es aber bei der südkoreanischen Boy- und Girlgroupwelle K-Pop aus. Ein striktes Alkohol-, Drogen- und Partnerverbot, eine Überwachung des Gewichts und vorgegebene Persönlichkeiten sind nur einige Punkte auf einer langen Vertragsliste (siehe Video hier unten).
Wann sich die gezwungene Perfektion solcher Gruppen ändern wird? Wahrscheinlich erst, wenn das Phänomen Boygroup ausstirbt. Und wann das passiert? Wie Pearlman vor über 20 Jahren gesagt hat: «Wenn Gott aufhört, kleine Mädchen zu machen.»