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Rückblick auf den CS-Crash Zusammenbruch der Credit Suisse: Beteiligte erinnern sich

Die Credit Suisse wurde am 19. März 2023 von der UBS übernommen. Zwei Jahre danach blicken ehemalige Mitarbeiter, Vertreterinnen von Behörden und Beobachter auf die denkwürdigen letzten Monate der Bank zurück. Der Anfang vom Ende begann ein halbes Jahr vor dem Crash.

Auf dem ehemaligen CS-Gebäude am Zürcher Paradeplatz prangt neu das Logo der UBS. Rund 109’000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten weltweit für die neue Grossbank. Schätzungsweise 10'000 weniger als bei der CS-Übernahme 2023. Das Ende der Credit Suisse bewegt noch immer, die Aufarbeitung ihres Untergangs und was das für die künftige Bankenregulierung heisst, ist in vollem Gang.

Im Gegensatz zur UBS überstand die Credit Suisse die Finanzkrise 2008 ohne staatliche Unterstützung. Doch dann sanken ihre Erträge, mit ihrer viel zu grossen Investmentbank geriet die CS ins Hintertreffen. Führungs- und Strategiewechsel brachten die Bank nicht zur Ruhe, Skandale häuften sich, Verluste waren schmerzhaft.

Tweet löste Bank-Run aus

Nach dem Tweet des australischen Journalisten David Taylor Anfang Oktober 2022, in dem er vor dem Untergang einer grossen internationalen Investmentbank warnte und der viral ging, verschärfte sich die Situation dramatisch: Kundinnen und Kundinnen zogen ihr Geld in einem bisher nicht bekannten Ausmass von der Credit Suisse ab. Es war der Anfang vom Ende der Bank, das am 19. März 2023 in der Übernahme durch die UBS mündete.

Tweet über internationale Investmentbank in Schwierigkeiten, von David Taylor.
Legende: Der Tweet von David Taylor vom 1. Oktober 2022. Der Journalist hat den Tweet später gelöscht. Twitter/X

Die letzten Monate und Tage der Bank waren eine aufwühlende Zeit für Mitarbeiter, Ehemalige, Behörden und Politik.

Josef Ackermann – der ehemalige Chef

    Vor seiner Zeit bei der Deutschen Bank arbeitete der 77-jährige Bankmanager fast 20 Jahre bei der Credit Suisse und ihrer Vorgängerin SKA (Schweizerischen Kreditanstalt).

Mann schaut aus Fenster
Legende: Josef Ackermann Die CS sei am Bemühen, sich mit den ganz Grossen zu messen, gescheitert. SRF

«Eine Bank, die noch vor Kurzem über 30 Milliarden Wert hatte, hat man für drei Milliarden – man kann nur sagen – verscherbelt», sagt Josef Ackermann heute, wenn er an den 19. März 2023 zurückdenkt.

Josef Ackermann – Präsident Generaldirektion SKA 1993–1996

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Josef Ackermann und Angela Merkel bei einer Veranstaltung.
Legende: Josef Ackermann und Angela Merkel am 10. November 2006 in Berlin. REUTERS/Arnd Wiegmann

Josef Ackermann trat 1977 nach seinem Bank- und Volkswirtschaftsstudium an der Universität St. Gallen in die damalige SKA, die Schweizerische Kreditanstalt, ein. Er stieg schnell auf, zuletzt war er von 1993 bis 1996 Präsident der Generaldirektion der SKA.

Josef Ackermann hätte zwar das prestigeträchtige Investmentbanking leiten sollen. Doch weil er mit der Strategie des langjährigen Verwaltungsratspräsidenten der SKA/Credit Suisse (1982–2000), Rainer E. Gut, nicht einverstanden war, verliess er die Bank. Gut wollte den beiden US-Investmentbanken First Boston sowie Donaldson, Lufkin & Jenrette ein Eigenleben zuzugestehen, anstatt sie in die Credit Suisse zu integrieren.

Schon bald startete Josef Ackermann bei der Deutschen Bank durch – von 2002 bis 2006 als Vorstandssprecher, dann als Vorsitzender Vorstand bis 2012. Während der Finanzkrise 2008 und später war er ein enger Berater der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel.

An diesem Sonntag hielt er sich in Finnland, dem Heimatland seiner Frau, auf. Die Medienkonferenz, die er aus der Ferne verfolgte, sei ein Schock gewesen: «Nicht nur, dass jetzt die SKA oder die CS untergeht – ich glaube, das ist auch ein grosser Verlust für den Schweizer Finanzplatz. Wenn man zwei grosse Banken hat in der Welt, ist das natürlich ganz ein starkes Signal.»

CS hätte kommunizieren sollen

Josef Ackermann kritisiert das lange Schweigen der CS-Führung nach dem Tweet des australischen Journalisten. Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann und CEO Ueli Körner, beide erst kurz im Amt, verwiesen auf allfällig börsenrelevante Informationen und vertrösteten auf den 27. Oktober, den Tag, an dem sie die neue Strategie der Bank kommunizieren wollten. Derweil flossen fast 100 Milliarden Franken an Liquidität ab.

Die CS scheiterte am Bemühen, sich mit den ganz Grossen zu messen.
Autor: Josef Ackermann Credit Suisse 1977–1996

«Man hat sehr lange Unsicherheit walten lassen. Ich habe damals der CS gesagt, ihr müsst jetzt kommunizieren, weil – natürlich gibt es immer rechtliche Bedenken – aber wenn es um die Existenz geht, muss man rechtliche Bedenken manchmal auf die Seite stellen», erinnert sich Josef Ackermann. «Manchmal muss man einfach sagen, jetzt mache ich es. Und dort muss der Chef an die Spitze und wieder Vertrauen schaffen.»

Woran ist die Credit Suisse gescheitert? «Am Bemühen, sich mit den ganz Grossen messen zu können. Damit ist man Risiken eingegangen, die aufgrund der Ertragsstruktur und der Ertragsqualität der Bank nicht mehr verkraftbar waren.»

Andreas Gerber – der ehemalige Angestellte

Zuletzt leitete der Berner das Firmenkundengeschäft Schweiz. Seine Karriere bei der Credit Suisse begann er 1989.

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Legende: Andreas Gerber Das Ende der Credit Suisse sei eine Achterbahn der Emotionen gewesen. SRF

«Wenn eine Bank, wenn eine Credit Suisse, die Eigenständigkeit, die Selbstständigkeit, verliert und Sie haben sich ein ganzes Leben dafür eingesetzt – selbst, aber natürlich auch mit Ihren Leuten, dann ist das natürlich eine wahnsinnige Niederlage.» Das sagt Andreas Gerber, wenn er sich an den 19. März 2023 zurückerinnert.

Andreas Gerber – ehemaliger Leiter Firmenkundengeschäft Schweiz

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Andreas Gerber arbeitete bei der Volksbank als Kundenbetreuer, als diese 1983 von der Vorgängerbank der Credit Suisse, der Schweizerischen Kreditanstalt SKA, übernommen wurde. Der 56-Jährige erinnert sich gut an die kulturellen Unterschiede zwischen der genossenschaftlich organisierten Berner Bank und dem international ausgerichteten Finanzinstitut vom Zürcher Paradeplatz.

Andreas Gerber wurde erst Leiter der Region Bern, dann Zürich. Zuletzt leitete er als Mitglied der Geschäftsleitung der Credit Suisse Schweiz das Firmenkundengeschäft. Speziell sei gewesen, wie eng bei der Credit Suisse Schweiz die Zusammenarbeit zwischen Firmenkunden-, Privatkundengeschäft und Investmentbanking gewesen sei.

Als Leiter des Firmenkundengeschäfts war Andreas Gerber Chef von rund 1300 Angestellten, verteilt auf 36 Standorte. Das tiefe Marktverständnis und die hohe Kundenorientierung habe die Credit Suisse Schweiz ausgezeichnet.

«Es war schon eine totale Achterbahn der Emotionen», sagt er im Rückblick auf den Tag der Übernahme. «Auf der einen Seite Erleichterung, weil es eine Lösung gegeben hat, und zwar eine Schweizer Lösung. Das war alles andere als selbstverständlich. Und auf der anderen Seite, Trauer: weil für einen selbst war das ein wichtiger Teil des Lebens und das war dann weg.»

Wie auf einer Beerdigung

Am Tag nach der Übernahme sei es im Üetlihof ZH, wo er sein Büro hatte, wie auf einer Beerdigung gewesen. Die Leute standen auf dem Gang.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren sehr stolz, bei der CS zu arbeiten.
Autor: Andreas Gerber Ehemaliger Leiter Firmenkundengeschäft CS Schweiz

«Wie soll ich sagen», sagt Andreas Gerber, «die Leute haben geheult, waren verzweifelt, hatten Angst», erzählt Gerber. «Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren sehr stolz, bei der CS zu arbeiten und waren überzeugt, dass sie einen guten Job machen. Und dann wird ihnen die Realität bewusst, sie haben es nicht über die Ziellinie geschafft.»

Froh, dass es weitergeht

Trotzdem: «Sie sind froh, dass es weitergeht. Das ist natürlich auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie für die Kunden absolut essenziell gewesen, dass sie gewusst haben – in welcher Form auch immer – es geht weiter.»

Marlene Amstad – die Frau der Aufsicht

Als Ver­waltungs­rats­präsi­dentin der Finanzmarktaufsicht Finma hatte die Ökonomin einen Einblick in die Credit Suisse wie nur wenige andere.

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Legende: Marlene Amstad Die Finma bereitete sich Monate vor dem Ende der Credit Suisse auf verschiedene Szenarien vor. SRF

«Für mich persönlich, und ich glaube auch für viele involvierte Kolleginnen und Kollegen, war der Oktober 2022 sehr wichtig», sagt Marlene Amstad, wenn sie an die letzten Monate der Credit Suisse zurückdenkt. Im Speziellen waren das die Wochen nach dem Tweet des australischen Journalisten David Taylor, in dem er schrieb, eine internationale Investmentbank stehe am Abgrund.

Marlene Amstad – Verwaltungsratspräsidentin Finma

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Marlene Amstad präsidiert die Finanzmarktaufsicht Finma seit 2021, zwei Jahre vor dem Zusammenbruch der Credit Suisse. Seit 2016 ist sie Mitglied des Verwaltungsrats der Finma, seit 2018 Vizepräsidentin des Verwaltungsrats. Zudem ist sie Titularprofessorin an der Universität Bern sowie Senior Fellow in Harvard und Mitglied im Board der International Organization of Securities Commissions (Iosco).

Die Finma-Verwaltungsratspräsidentin arbeitete einmal selbst für die Credit Suisse: Von 2000 bis 2002 war sie im quantitativen Kreditrisiko-Management tätig. Ab 2002 arbeitete sie in der Forschungsabteilung des Departements Geldpolitik der Schweizerischen Nationalbank SNB. Später war sie im Departement Finanzmarkt der SNB tätig, zuletzt als Stellvertretende Direktorin und Leiterin der Anlagestrategie und Finanzmarktanalyse.

Ab 2012 arbeitete Marlene Amstad als Beraterin bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Hongkong für die elf grössten asiatischen Notenbanken und deren asiatische Bond Markt Initiative. Von 2016 bis 2020 lehrte und forschte sie zu «Money and Banking» als Professor of Practice in Economics and Finance an der Chinese University of Hong Kong, Shenzhen, und war dort 2018–2020 Co-Leiterin des FinTech Centers mit Spezialgebiet Big Data und chinesische Finanzmärkte.

In der Folge zogen Kundinnen und Kunden in einem eigentlichen Bankrun ihre Guthaben von der CS ab. «Eine Bankbilanz von 600 Milliarden mit 90 Milliarden Ausfluss – das ist natürlich historisch einmalig. Das steckt uns allen bis heute in den Knochen», sagt die Ver­waltungs­rats­präsi­dentin der Finma.

Finma übte Sanierung

Was die Öffentlichkeit erst seit der Publikation des PUK-Berichts weiss: Im Geheimen bereiteten sich Nationalbank, Finanzmarktaufsicht und Finanzdepartement bereits auf ein mögliches Ende der Credit Suisse vor. Sechs Monate vor dem Zusammenbruch.

Eine Sanierung ist nicht ein Zahnarztbesuch, sondern eine Herzoperation.
Autor: Marlene Amstad Verwaltungsratspräsidentin Finma

Die Situation war so gravierend, dass die Finma eine sogenannte Sanierung der Bank vorbereitete. Sanierung heisst unter anderem: Die Finma setzt die Führung der Bank ab und ernennt selbst eine Führung.

«Eine Sanierung ist nicht ein Zahnarztbesuch, sondern eine Herzoperation», beschreibt Marlene Amstad die Vorbereitungen. «Bis jetzt hat das im Fall von einer global systemrelevanten Bank noch niemand durchgeführt.» Deshalb übte die Finma zusammen mit ihren Partnerbehörden – vor allem USA und Grossbritannien – eine Sanierung der Bank mit den tatsächlichen Bilanzzahlen der CS.

Die Übung fand unter höchster Vertraulichkeit statt. «Man kann durchaus sagen, dass es beachtlich ist, dass es da in keiner Art und Weise ein Leak gegeben hat», erinnert sich Marlene Amstad. «Das wäre ziemlich dramatisch gewesen, wenn man erfahren hätte, dass die Finma zusammen mit anderen die Sanierung vorbereitet und testet.»

Isabelle Chassot – die Frau der Aufarbeitung

Die Freiburger Mitte-Ständerätin präsidierte die Parlamentarische Untersuchungskommission PUK, die das Ende der Credit Suisse untersuchte.

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Legende: Isabelle Chassot Wenn es um künftige Bankregulierung gehe, dürfe man sich nicht vom Lobbying der Banken beeindrucken lassen. SRF

Isabelle Chassot zieht ein glasklares Fazit nach der Arbeit der PUK: «Die Credit Suisse ist für ihren Niedergang verantwortlich. Es war das Verhalten der Verantwortlichen, das den Vertrauensverlust verursacht und die CS praktisch in den Konkurs getrieben hat.»

Isabelle Chassot – Präsidentin PUK Credit Suisse

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Die Freiburger Mitte-Ständerätin präsidierte die Parlamentarische Untersuchungskommission PUK, die im Sommer 2023 ihre Arbeit aufnahm. Die PUK untersuchte die «Geschäftsführung der Bundesbehörden im Kontext der CS-Krise».

14 Parlamentarier und Parlamentarierinnen aller Parteien führten während anderthalb Jahren in 45 Sitzungen 79 Anhörungen mit Behördenmitgliedern, Bankenvertretern und Expertinnen durch. Am 20. Dezember 2024 stellte die PUK ihren 569-Seiten-starken Bericht der Öffentlichkeit vor. Den Bericht verabschiedeten die PUK-Mitglieder einstimmig.

Die PUK hat 20 Empfehlungen zuhanden des Bundesrats verabschiedet sowie sechs Postulate (zum Beispiel «Falsche Anreize bei Vergütungen und Ausschüttungen der SIBs (systemrelevante Banken) vermeiden» und «Governance der Finma erleichtern»), vier Motionen und eine parlamentarische Initiative.

Am meisten habe sie die Haltung der Banker schockiert: «Es sind die Boni, die sie gezahlt haben, und die Verluste, die sie gleichzeitig verzeichnet haben.» Isabelle Chassot nennt drei Zahlen, die sich auf die Jahre 2012 bis 2022 beziehen, um dies zu illustrieren: «31 Milliarden an Boni, 33 Milliarden an Verlusten im selben Zeitraum und 11 Milliarden an Strafen. Diese Zahlen zeigen das völlig unzureichende Management der Bank.»

Behörden waren im Krisenmodus

Überrascht hat Isabelle Chassot, wie früh die Behörden ein Wort-Case-Szenario für die Credit Suisse vorbereiteten: «Der Ausschuss Finanzkrisen wurde ab Oktober 2022 in den Krisenmodus versetzt.» Leider sei es in dieser Zeit nicht gelungen, die Situation zu stabilisieren oder eine Lösung zu finden: «Eine Lösung wurde erst während der dramatischen fünf Tage im März gefunden», sagt die Präsidentin der PUK.

Es war das Verhalten der Verantwortlichen, das den Vertrauensverlust verursacht und die CS praktisch in den Konkurs getrieben hat.
Autor: Isabelle Chassot Präsidentin PUK Credit Suisse

«Jede Krise ist anders und die nächste wird wahrscheinlich Ursachen haben, die wir heute noch nicht einmal erahnen können», sagt die PUK-Präsidentin. Nun müsse die gesamte Analyse detailliert berücksichtigt werden: «Ohne sich von einem allfälligen Lobbying der Banken beeindrucken zu lassen.»

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DOK, 13.3.2025, 20:10 Uhr

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