«Die Apps fühlen sich nach Ausbeutung an, weil sie mit deinen Bedürfnissen spielen, du aber nie an dein Ziel kommst», sagt der 36-jährige Tinder- und Bumble-User Federico. Er ist seit vier Jahren auf den Dating-Apps aktiv: «Ich fühle mich wie ein Esel, dem eine Rübe vor die Nase gehalten wird.»
Die negativen Erfahrungen mit den Apps seien deprimierend und frustrierend. Trotzdem lässt ihn die Hoffnung auf einen Match immer wieder zu den Apps zurückkehren.
Einsamkeit und Angst
Studien zeigen, dass diese Negativspirale bei männlichen Dating-App-Usern Stress verursacht. Bei Frauen mindern Dating-Apps das Selbstwertgefühl. Stimmungsschwankungen, Einsamkeits- sowie Angstgefühle nehmen sowohl bei Frauen als auch bei Männern zu.
Gerade wenn Dating-Apps fehlende Wertschätzung im realen Leben kompensieren sollen, beeinflussten sie die psychische Gesundheit der Nutzenden negativ, so eine US-Studie. Davon seien insbesondere sexuelle Minderheiten betroffen, die besonders aktiv auf Dating-Apps seien.
Die negativen Erfahrungen auf den Apps führten bei Nutzenden zu Burn-out-ähnlichen Zuständen, heisst es auch in einer aktuellen Studie der Hochschule Fresenius in Köln.
Dating heute
Die 24-jährige Sabeth beschreibt gegenüber SRF «rec.», wie die Generation Z heute datet. Bindungsängste, sogenannte «Commitment Issues», beschäftigten sie und Gleichaltrige. Ihre Beziehungen bezeichnen sie als «Situationships», unverbindliche Mittelfristbeziehungen.
Unverbindlichkeit und Sex stünden beim Daten im Zentrum, erzählt sie weiter. Gleichzeitig würden dabei aber auch Nähe und Geborgenheit eingefordert. Hinzu kämen Ängste, wie FOMO und FOBO – die Angst, etwas zu verpassen oder die falsche Entscheidung zu treffen.
Respektloses Verhalten in Chats
Sozialpsychologin Johanna Degen von der Universität Flensburg hat das sogenannte «Tinder-Burn-out» wissenschaftlich untersucht. Mangelndes Interesse, oberflächliches sowie respektloses Verhalten oder der plötzliche Kontaktabbruch wurden als besonders belastend angegeben.
Männer fühlten sich durch das Geschlechterungleichgewicht in den Apps vernachlässigt und benachteiligt. Frauen klagten über Sexualisierung oder aggressives Verhalten in Chats.
Als Sexobjekt behandelt
Der 24-jährige Nicolas kennt die Praktiken von der Dating-App Grindr. Die Objektifizierung auf dieser App sei «brutal». Er fühle sich oft als Sexobjekt behandelt oder unsicher, weil er auf Profilfotos keinen durchtrainierten Körper vorweisen könne.
In Chats werde er oft direkt nach Nacktbildern oder Sextreffen gefragt. «Ich reagiere dann oft sarkastisch. Ich bin trotz allem noch ein Mensch. Es steckt mehr hinter mir als nur mein Schwanz und mein Arsch.» Seinen Partner hat er nun offline kennengelernt.