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In Kletterhallen liegt viel Gummiabrieb in der Luft
Aus Espresso vom 06.06.2024. Bild: SRF
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Abrieb von den Kletterschuhen Mikrogummi-Staub sorgt für dicke Luft in den Kletterhallen

Wissenschafter haben entdeckt: Die Luft in den beliebten Freizeiteinrichtungen ist stark mit Chemikalien belastet.

Was wurde untersucht? Mikrogummi-Abrieb von Autopneus belastet die Umwelt in einem enormen Ausmass. Die Sohlen von Kletterschuhen sind aus einem ähnlichen Material gemacht wie Pneus. Teils mit denselben, potenziell giftigen Chemikalien. Das hat ein Team von Umweltwissenschafterinnen und -Wissenschaftlern der Universität Wien und der ETH Lausanne festgestellt. Es hat sich unter anderem angeschaut, wie stark der Gummi-Abrieb der Sohlen die Hallenluft belastet. Für ihre Studie haben sie verschiedene Kletter- und Boulderhallen in Österreich, Frankreich und der Schweiz besucht.

Wie kommt es überhaupt zum Gummi-Abrieb? Durch Druck und Reibung der Gummisohlen auf der rauen Oberfläche der farbigen Kletterelemente.

Der Abrieb von Kletterschuhen verursacht giftige Chemikalien.
Legende: Der Gummiabrieb von Kletterschuhen verursacht giftige Chemikalien und belastet die Luftqualität in Kletterhallen. SRF

Wie gross ist das Problem? Die Forscherinnen und Forscher – zwei von ihnen klettern selbst in ihrer Freizeit – machten eine überraschende und beunruhigende Entdeckung: «Die Konzentration an diesen Stoffen ist die höchste, wie sie bisher beobachtet wurde», sagt Thilo Hofmann, Professor für Umwelt- und Geowissenschaften an der Universität Wien im SRF-Konsumentenmagazin «Espresso». Bislang sind die höchsten Werte zum Beispiel an Strassen in chinesischen Mega-Städten gemessen worden. Hofmann spricht von bis zu 27 Nanogramm potenziell schädlichen Chemikalien aus dem Abrieb von Kletterschuhen pro Kubikmeter Atemluft. «In den häufig kleineren und engeren Boulderhallen ist das Problem grösser», sagt Hofmann. Beim Bouldern sind die Wände weniger hoch als beim «richtigen» Klettern, und es braucht kein Seil.

Kletterwand-Griffe
Legende: Durch die Reibung der Gummisohlen auf den Klettergriffen entsteht Abrieb, der in die Lunge gelangen könnte. SRF

Was heisst das für die Gesundheit von Kletterern und Personal? «Wir wissen es noch nicht, wie giftig das für den Menschen ist», sagt Umweltwissenschaftler Hofmann. Man wisse aber aus der Forschung mit dem Pneu-Abrieb, dass gewisse Chemikalien Fischen schaden können. Und: Der Abrieb von Kletterschuhen könne so klein sein, dass er in die Lunge gelangen könne. Für Hofmann ist deshalb klar: «Es ist ein Thema, das man sich anschauen muss. Denn diese Stoffe gehören da nicht hin.» Deshalb müsse man schnell etwas gegen das Problem unternehmen – und nicht jahrelang abwarten, bis die Auswirkungen dieser Stoffe auf den Menschen erforscht sind. Aber Hofmann betont auch: «Wir empfehlen nicht, Kletterhallen zu meiden.»

Hallenbetreiber: «Kein Grund zur Panik»

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Auch Benjamin Jordi, Geschäftsführer des Verbandes Schweizer Boulder- und Kletteranlagen, ist überrascht über das Ergebnis der Studie. «Wir sehen aber keinen Grund zur Panik. Zuerst möchten wir uns mal diese Studie in voller Länge zu Gemüte führen.»

Auch biete der Verband seine Unterstützung an: etwa für weitere Messungen. Er könne sich zum Beispiel vorstellen, eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter einen Tag lang mit einem Messgerät loszuschicken. Oder das Personal mit Atemschutzmasken auszurüsten, wenn es in den Kletterwänden die Elemente ein- und ausbaue. Gutes Lüften und Reinigen sei indes in den meisten Hallen schon heute gang und gäbe.

Was tun, damit die Luft besser wird? «Eine gute Lüftungsanlage ist sehr wichtig», empfehlen die Umweltwissenschaftler. Und: «Kletterhallen möglichst häufig reinigen und den Staub entfernen».  Das hilft auch gegen eine andere problematische Zutat in der Luft: Magnesium-Staub. Die Kletterer reiben sich damit die Hände ein. Das Forscher-Team appelliert auch an die Hersteller der Schuhsohlen: «Könnte man die problematischen Stoffe nicht einfach weglassen?»

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In welchen Hallen wurde gemessen? Das dürfte erst im Herbst bekannt werden. Dann soll diese Studie mit allen Details im renommierten Wissenschaftsmagazin «Nature» publiziert werden. Bislang gibt erst einen sogenannten «Pre-Print», eine Art Vorab-Info. Wobei, so Hofmann, es spiele eigentlich keine Rolle, welche Hallen es sind. Der Befund dürfte in allen Kletter- und Boulderhallen weltweit etwa ähnlich ausfallen. In der Schweiz gibt es rund 80 grössere Kletter- und Boulderhallen. Etwa eine Viertelmillion Menschen frönt hierzulande diesem Hobby, schätzt man beim Verband der Schweizer Boulder- und Kletteranlagen (VSBK).

Espresso, 06.06.24, 08:10 Uhr

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