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Panne bei der Post bringt KMU in finanzielle Nöte
Aus Espresso vom 14.06.2024. Bild: SRF
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Adresse gelöscht Modellflug-Laden droht der Absturz wegen Post-Panne

Der Inhaber eines KMU erhält von der Post keine Post mehr. Seine Adresse wurde deaktiviert. Die Folgen sind fatal.

«In diesem Laden steckt viel Herzblut», sagt This Wolfensberger. Vor gut vier Jahren hat der 46-jährige, gelernte Flugzeugmechaniker aus Bülach (ZH) seinen Traum vom eigenen Modellflugzeug-Geschäft wahr gemacht. Die Systempanne der Post hat ihm nun einen Albtraum beschert.

Aus Versehen und ohne Vorwarnung

Was ist passiert? Ende Oktober 2023 hat die Post im Hintergrund aus Versehen die Adresse des «Aviation Markets» von This Wolfensberger deaktiviert. Drei Monate lang erhält er deshalb unter anderem keine Rechnungen mehr. Weil Werbesendungen, Zeitungen und vorgängig bezahlte Pakete privater Lieferdienste weiterhin den Briefkasten füllen, fällt ihm der Fehler lange nicht auf. Doch so langsam beginnt er sich doch zu wundern, wo die Rechnungen bleiben. Und weil die Kuriere nur liefern, wenn der Kunde gezahlt hat, kommen mit der Zeit auch keine neuen Pakete mehr.  

Grosse Lieferung bleibt in Asien liegen

Der KMU-Inhaber vermisst vor allem eine grosse Lieferung aus China. Warenwert: 15'000 Franken. Er hat sie noch vor der Post-Panne im Oktober bezahlt. Die Ware bleibt aber in China liegen. Grund: Die Kurierfirma DHL, die die Modellflieger hätte verschiffen sollen, hat die rund 2000 Franken für den Transport nicht erhalten. Diese Rechnung ist wegen der Post-Panne nicht bei This Wolfensberger angekommen.

So stauen sich im Hintergrund die Forderungen von Lieferanten und anderen Absendern. Und es kommen auch immer mehr Mahnungen und Inkassoforderungen hinzu.

Rufschaden, Kunden weg, Umsatzeinbruch

Als er Ende Januar 2024 von der Post erfährt, wo der Hund begraben liegt, fällt er aus allen Wolken und ist im Krisenmodus: «Ich war Tag und Nacht damit beschäftigt, meine Gläubiger zu beruhigen und Rechnungen nachzuzahlen.» Wolfensberger gilt fortan als unzuverlässiger Händler: «Der Rufschaden ist gigantisch.»

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Als die grosse Lieferung aus China mit mehreren Monaten Verspätung doch noch eintrifft, ist es zu spät: Viele seiner eigenen Kunden sind abgesprungen und haben sich bei der Konkurrenz mit Neuheiten eingedeckt. Wolfensberger versteht das: «Wenn ich ein halbes Jahr auf eine Bestellung warte und nicht weiss, ob die Ware wirklich kommt, dann bestelle ich woanders.»

Fakt ist: Das KMU verzeichnet gegenüber dem Vorjahr einen massiven Umsatzverlust von rund 50 Prozent. Wolfensberger geht von einem Verlust von alles in allem mindestens 20'000 Franken aus.

Post: «Schade, ist Ihnen das nicht früher aufgefallen»

Der Kundendienst der Post gibt den Fehler zu und entschuldigt sich. Und schliesslich ringt sich die Post auch zu einem finanziellen Entgegenkommen von 1500 Franken durch. Aus «grosszügiger Kulanz», wie es heisst. Sie suggeriert aber eine Mitschuld Wolfensbergers an der Misere: «Schade, dass Ihnen das Ausbleiben der Lieferungen nicht früher aufgefallen ist.»

Wolfensberger nennt das Vergleichsangebot «lächerlich» und bringt den Fall vor die Postcom, die Schlichtungsstelle der Post. Diese legt ihm schliesslich eine Vereinbarung zur Unterschrift vor: 1500 Franken – ohne Schuldeingeständnis der Post, dafür mit einer Vertraulichkeitsklausel. Oder gar nichts. Nun reicht es dem gebeutelten Postkunden, und er meldet sich beim SRF-Konsumentenmagazin «Espresso».

Die Post prüft den Fall erneut

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Auf Seiten der Post schien der Fall bereits abgeschlossen. Doch das SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» hat nachgehakt. Und siehe da: Die Post will sich den Fall nun nochmals anschauen. This Wolfensberger hat dem Kundendienst bereits weitere Belege geliefert. Post-Mediensprecherin Silvana Grellmann sagt: «Mit den bisher eingereichten Belegen hatten wir noch keinen Zusammenhang zu den finanziellen Forderungen des Kunden herstellen können. Wir schauen uns die neuen Belege jetzt aber selbstverständlich an. Dann gehen wir ins Gespräch mit dem Kunden.» Fortsetzung folgt also. Zu den Gründen, wie es überhaupt dazu gekommen ist, sagt die Post: Es könne vorkommen, dass eine Adresse deaktiviert werde. Zum Beispiel, wenn ein Briefkasten lange nicht angeschrieben sei. Doch weshalb das beim Bülacher Modellflugladen passiert sei, könne man sich nicht erklären.

Espresso, 14.6.2024, 8:10 Uhr

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