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Kein Spielraum: Vor der Abfahrt muss das elektronische Billett gelöst sein
Aus Espresso vom 22.05.2024. Bild: Keystone
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Billett-Ärger «Sekundenbussen» im ÖV sind weiterhin möglich

Wer sein Zug- oder Bus-Billett ein paar Sekunden zu spät löst, muss einen Zuschlag bezahlen.

Was ist das Problem? Das haben wir wohl alle schon erlebt: Es reicht gerade noch auf den Zug, bevor die Türen schliessen. Das Ticket löst man in der ÖV-App dann nur Sekunden nach der Abfahrt. Offiziell gilt man damit als Schwarzfahrer und muss einen Zuschlag bezahlen, wenn man in eine Kontrolle gerät. ÖV-Tickets müssen nämlich vor der Abfahrt gelöst werden. Das sorgte immer wieder für Ärger und Unverständnis. Die ÖV-Branche wollte dieses Problem lösen. Auch das zuständige Bundesamt für Verkehr (BAV) sah Handlungsbedarf: Einem Fahrgast dürfe nicht in jedem Fall ein Nachteil entstehen, wenn die Bestätigung des Ticketkaufs auf dem Smartphone erst kurz nach der Abfahrt erfolgt, hiess es im Januar 2024. Nun haben die Branchenorganisation Alliance Swisspass und das BAV eine Lösung präsentiert. An den geltenden Regeln ändert sich damit allerdings nichts.

Wie sieht die Lösung aus? Es gilt weiterhin, dass Tickets für den öffentlichen Verkehr vor der Abfahrt gelöst werden müssen – und zwar sowohl im Nah- als auch im Fernverkehr. Man habe an dieser einfachen, verständlichen Regel festhalten wollen, sagt Susanna Wittwer, Mediensprecherin der Alliance Swisspass im SRF-Konsumentenmagazin «Espresso». Für die Fahrgäste soll es schweizweit eine einheitliche Regelung geben: «So müssen sie sich keine unterschiedlichen Regeln merken.» Mit einer breit angelegten Informationskampagne sollen die ÖV-Kundinnen und -Kunden in den nächsten Monaten für das Thema sensibilisiert werden. Zudem sind technische Anpassungen an diversen ÖV-Apps geplant, um gewisse Probleme zu beseitigen: Als Beispiel wird die Funktion «gültig ab sofort» genannt beim Kauf von elektronischen Tickets über die Fahrplanabfrage.

Sind «Sekundenbussen» weiterhin möglich? Ja. Wer nach der Abfahrt kein gültiges Ticket hat, riskiert einen Zuschlag. Erklärtes Ziel ist es jedoch, dass die Transportunternehmen solche Fälle einheitlicher handhaben und somit alle Betroffenen gleichbehandeln. Bei strittigen Einzelfällen soll es einen Austausch geben unter den Unternehmen. Sie wollen «voneinander lernen», wie es heisst.

Darf ich mehr Kulanz erwarten in Zukunft? Das bleibt abzuwarten, denn hier ist die präsentierte Lösung widersprüchlich, da einerseits alle Fahrgäste gleichbehandelt, Einzelfälle aber doch individuell beurteilt werden sollen. Das zuständige Bundesamt für Verkehr gibt sich zuversichtlich: «Wichtig ist für uns, dass die Branche zugesichert hat, Einzelfälle in Zukunft zu prüfen und dabei die konkreten Umstände berücksichtigt», so BAV-Sprecher Michael Müller. «Nur so kann man davon ausgehen, dass eine individuelle Behandlung von Einzelfällen garantiert ist.» Susanna Wittwer von der Alliance Swisspass sagt dazu: «Die Kulanz liegt im Verantwortungsbereich der einzelnen Transportunternehmen – das ist wichtig, weil die Fälle unterschiedlich sind.» Entscheidend sei die Gleichbehandlung aller Fahrgäste.

Was kann ich tun, wenn ich betroffen bin? Wer ohne gültiges Ticket – oder eben mit einem zu spät gelösten Billett – in eine Kontrolle gerät, muss in aller Regel einen Zuschlag bezahlen. Wenn Sie der Ansicht sind, dieser Zuschlag sei unter den gegebenen Umständen nicht gerechtfertigt, können Sie beim jeweiligen Transportunternehmen verlangen, dass Ihr Fall noch einmal geprüft wird. Allenfalls wird der Zuschlag dann reduziert oder erlassen.

Espresso, 22.05.2024, 8:10 Uhr

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