Der 84-jährige Caspar Riedi ist nach einer Operation teilweise gelähmt und auf Pflege angewiesen. Eine Verordnung für die Spitex liegt zwar vor, aber er möchte lieber von seiner Partnerin gepflegt werden. Für Loretta Hasler selbstverständlich, dass sie das übernimmt. Bei der Pro Senectute Chur rät man ihr, sie solle sich dafür von einer Spitex-Firma anstellen lassen, so könne sie einen Lohn beziehen.
Loretta Hasler lässt sich deshalb von Arana-Care anstellen, eine Firma, die sich auf pflegende Angehörige spezialisiert hat. Sie bekommt 30 Fr. brutto in der Stunde. Täglich werden ihr eineinhalb bis zwei Stunden vergütet. Loretta Hasler geht davon aus, dass wenn Angehörige die Pflegearbeit machen und entlöhnt werden, käme es unter dem Strich günstiger, als wenn jemand von der Spitex kommen muss und diese Leistung erbringt.
Private Spitex-Firmen verdienen mit
Als sie die Abrechnung der Krankenkasse bekommt, realisiert Loretta Hasler allerdings: Arana-Care verdient bei ihrer Arbeit kräftig mit! «Die Differenz zu dem, was ich nachher bekommen habe und was die Krankenkasse bezahlen muss, ist riesengross.» Konkret: Für eine Stunde ihrer Arbeit bekommt Arana-Care insgesamt 72.50 Fr., davon gibt sie 30 Fr. brutto an Loretta Hasler weiter. Der Rest bleibt in der Kasse von Arana-Care.
Firmen wie Arana-Care, die sich auf die Anstellung von pflegenden Angehörigen spezialisiert haben, profitieren von einem System, das ursprünglich für reguläre Spitex-Dienste gedacht war: Die Leistungen der Spitex sind im Krankenversicherungsgesetz KVG geregelt. Der Tarif für die Grundpflege ist schweizweit der gleiche: 52.50 Fr. kostet die Stunde. Hinzu kommt noch die sogenannte Restfinanzierung durch die Gemeinden. Diese variiert von Kanton zu Kanton, der Schnitt ist etwa 20 Franken.
Gratis-Pflege von Angehörigen
Das Potenzial ist gross: In der Schweiz pflegen etwa 600'000 Angehörige ihre Nächsten zu Hause. Die meisten bislang gratis. Dass nun private Firmen um pflegende Angehörige buhlen und sie unter Vertrag nehmen wollen, macht Jörg Kündig Sorgen. Kündig ist Gemeindepräsident Gossau ZH / FDP und Präsident vom Verband der Gemeindepräsidien ZH. «Es ist die Menge an Inseraten von solchen Firmen, die darauf hindeuten, dass es ein gutes Geschäft ist. Ein Geschäftsmodell, das sich stark etabliert hat und sich weiterverbreitet», sagt er. Die Gemeinden sind nach heutigem Recht in der Pflicht, die Arbeit der Spitex mitzufinanzieren – und damit auch die der pflegenden Angehörigen.
Arana-Care Geschäftsführer Patrick Hanselmann weist von sich, dass man sich primär bereichern wolle. Der grösste Teil des Geldes werde für Personal und Infrastruktur benötigt. «Wir brauchen das, um das Care Management zu betreiben, um uns nachhaltig um unsere pflegenden Angehörigen zu kümmern», sagt Patrick Hanselmann.
System hat Optimierungspotenzial
Das heutige System müsse überarbeitet werden, fordert der Krankenkassen-Verband Santésuisse. Bereits heute würden Rechnungen in der Höhe von mehreren tausend Franken pro Fall und Monat in Rechnung gestellt, und damit das System zusätzlich belastet.
Jörg Kündig als Vertreter der Zürcher Gemeinden betont, dass man bereit sei, einen Beitrag zu leisten. «Aber es kann nicht sein, dass man offensichtlich mit einer ganz grossen Marge private Anbieter finanziert – und damit dem Gedanken der pflegenden Angehörigen einen Bärendienst erweist.»