Am Donnerstag hätte es zum grossen Showdown beim FC Luzern kommen sollen: Mehrheitsaktionär Bernhard Alpstaeg plante an der ausserordentlichen Generalversammlung der Holding, den kompletten Verwaltungsrat abzusetzen. So weit kommt es nun nicht, zumindest noch nicht. Denn der VR verschob die brisante GV einen Tag vorher.
Aufgeschoben ist jedoch wohl nicht aufgehoben. Es ist nicht zu erwarten, dass sich Alpstaeg nun auf einmal verhandlungsbereit zeigt. Wie konnte es so weit kommen? Hat der Patron überhaupt das Recht zu solchen Handlungen? Und auf welcher Seite stehen die Fans in diesem Konflikt? Wir liefern einen Überblick über den Konflikt.
Wie ist der FC Luzern aufgebaut?
Um das geplante Vorgehen Alpstaegs zu verstehen, muss man das «Konstrukt FC Luzern» kennen. Die Gesellschaften des Fussballklubs sind der FCL Holding AG untergeordnet, welche aus 2 Aktionären besteht: Alpstaeg (52 Prozent der Aktien) und Josef Bieri (48 Prozent). Die FCL Holding AG umfasst ...
- mit 97 Prozent der Aktien die FC Luzern-Innerschweiz AG (für den Fussballbetrieb zuständig). Diese besteht aus demselben Verwaltungsrat wie die Holding (Präsident Stefan Wolf, Bieri, Bruno Affentranger, Laurent Prince, Ursula Engelberger-Keller).
- mit demselben Anteil die swissporarena events ag (Vermarktung FC Luzern, Eventbereich).
- eine 40%-Beteiligung an der Stadion Luzern AG, die das Stadion swissporarena besitzt. Die restlichen 60 Prozent hält Alpstaeg, der auch VR-Präsident dieser AG ist.
Was genau sollte am Donnerstag passieren?
Am 3. November standen ursprünglich zwei ausserordentliche Generalversammlungen auf dem Programm: ab 19 Uhr jene der FC Luzern-Innerschweiz AG, anschliessend die der Holding. So weit, so gewöhnlich. Doch die Beschlüsse der ersten GV, bei der es primär um Themen wie den Jahresbericht geht, wären nach dem anfänglichen Plan zu Nebengeräuschen verkommen.
Denn bei der unmittelbar danach angesetzten GV der Holding lautete Alpstaegs Plan, den gesamten VR abzusetzen. Ein Traktandum hiess wörtlich «Abberufung des Verwaltungsrats». Diese GV wurde jedoch einen Tag davor nach Intervention von Minderheitsaktionär Bieri auf ein unbekanntes Datum verschoben.
Die Luzerner Zeitung rechnete im Vorfeld mit einer Selbstkrönung à la Napoleon: «Am Donnerstagabend dürfte also der derzeitige Verwaltungsrat der FCL Holding Geschichte – und Bernhard Alpstaeg der neue FCL-Präsident sein.» Zumindest im Datum irrte sie sich.
Wie kam es so weit?
Während es hinter den Kulissen offenbar schon länger brodelte, wurde der Unwille des Mehrheitsaktionärs in einem aufsehenerregenden Blick-Interview Anfang Oktober ruchbar. Die sportliche Führung um Präsident Wolf und Sportchef Remo Meyer attackierte er hart: «Sie sind zu wenig demütig, zu wenig aktiv, zu wenig bescheiden. Sie müssen lernen, zu arbeiten.» Ausgerechnet in einer sportlich befriedigenden Phase.
Der 77-Jährige liess klar durchblicken, dass er sich einen Abgang von Wolf und Meyer wünscht, wogegen sich wiederum der VR sträubte. Alpstaegs Animositäten gegenüber dem Sportchef gründen sowohl auf komplizierten (einem undurchsichtigen Machtkampf bei Verhandlungen mit unterschiedlichen Spielerberatern) als auch banalen Vorbehalten (die Frisur Meyers).
Am Montag spitzte sich die Situation dann zu: Alpstaeg beklagte eine «Hetzkampagne» gegen seine Person und veröffentlichte seine Vision der FCL-Zukunft. Der Klub selbst betonte wiederum in einer Medienmitteilung, er erachte es als unmöglich, mit Alpstaeg in eine gemeinsame Zukunft zu gehen.
(Wieso) hat Alpstaeg überhaupt so grosse Macht?
Ein Patron, der nach Lust und Laune sportliche Führung und VR entlassen kann? Was sich eher nach Grisham-Roman denn Realität anhört, scheint juristisch tatsächlich sauber zu sein. Dem Vernehmen nach mangelt es an einem sogenannten Aktionärsbindungsvertrag, der zu einem Interessensausgleich der Aktionäre beitragen soll.
Hintergrund: Vor rund anderthalb Jahren stockte Alpstaeg im Rahmen des Ausstiegs der Aktionäre Samih Sawiris, Hans Schmid und Marco Sieber von 26 auf 52 Prozent auf. Der bestehende Aktionärsbindungsvertrag wurde aufgehoben. 48-Prozent-Aktionär Bieri verzichtete nach «guten Gesprächen» darauf, dies zu erneuern – wie er gegenüber Blick erläuterte. Und klagte zugleich, er sei «noch nie von einem Menschen so getäuscht worden».
Wie ist die Meinung der Fans?
Die FCL-Supporter haben sich mit der sportlichen Führung solidarisiert und bekunden seit Wochen ihren Unmut gegenüber Alpstaeg und dessen Plänen. Knapp 19'000 Unterschriften wurden bis Mittwochnachmittag gesammelt. Zudem rief man die Fans dazu auf, die GV zu besuchen. Zur Bewegung mit dem Slogan «Zäme meh als 52%» gehören unter anderem FCL-Präsident Wolf, Klub-Legende David Zibung und SP-Kantonsrat David Roth. Auch in der swissporarena wurde auf der Anzeigetafel für die Aktion geworben.
Ist eine alternative Finanzierung realistisch?
Der Volksmund weiss: Wer zahlt, befiehlt. Der FC Luzern betonte in einem Communiqué am Montag jedoch, finanziell nicht von Alpstaeg abhängig zu sein: «In den vergangenen zwei Jahren wurde mit über 130 Persönlichkeiten aus der Innerschweiz gesprochen. Zwischen 25 und 30 von ihnen wären bereit, den FC Luzern finanziell mitzutragen, sofern sich der Mehrheitsaktionär zurückzieht.»
Wie viel Geld der Swisspor-Patron insgesamt in die «Leuchten» investiert hat, ist unklar. Gemäss Bieri jedenfalls deutlich weniger, als man denken würde. Der Minderheitsaktionär und Vizepräsident des Holding-VR erklärte gegenüber Luzerner Zeitung, Alpstaeg sei seit 2011 bloss für 24 Prozent der Verbindlichkeiten aufgekommen.