Das erste Kapitel spielt an einem Ort, der direkt einem Gotthelf-Roman entsprungen sein könnte. Unterhalb des Hohgant, zwischen «Hintere Buchhütte» und «Untere Lochseite» gelegen, befindet sich die Talstation der Skilifte Bumbach Schangnau. Zwei Bügellifte, ein Handschuhfresser, ein Zauberteppich. Fertig. Ein wunderbares kleines Familienskigebiet, aber kein Ort, von wo ein Abfahrtsdominator herkommt. Ausser, es trägt sich eine ganz besondere Geschichte zu.
Und damit sind wir beim Schangnauer Buben Beat Feuz, der vermutlich noch heute den Rekord für die schnellste Talfahrt auf der roten Piste im Bumbach hält. Mut hat er im Überfluss. Talent auch. Und ein frecher Kerl ist er sowieso, sonst wäre er vermutlich daheim geblieben, im Tal, das hinauf ins Quellgebiet der Emme führt. Nach Küblisbühl. Beat Feuz aber, der hat keine Barrieren im Kopf, weder leistungsmässig noch geografisch, und so ist nicht Küblisbühl das Ende seines Weges, sondern Kitzbühel.
Der junge Beat Feuz fährt so gut Ski, dass er schnell über die regionalen und interregionalen Kader in die nationalen Trainingsgruppen aufsteigt. Dort fällt er einerseits durch ein lockeres Mundwerk auf. Manch einem Konkurrenten von damals wäre es ganz recht, der vorwitzige Emmentaler würde beim nächsten Rennen resultatmässig eins auf Dach kriegen. Aber nichts da. Denn Feuz fällt noch viel mehr durch sein skifahrerisches Können auf, gewinnt fünf Medaillen bei Junioren-Weltmeisterschaften, nebst Gold in Abfahrt, Super-G und Kombination auch zwei Mal Bronze im Slalom.
Furore bei der Weltcup-Premiere
Und als Feuz beim Weltcupfinal in Lenzerheide als frisch gebackener Juniorenweltmeister seine erste Weltcup-Abfahrt bestreiten darf, fährt er sogleich auf Rang 14 und bezwingt dabei zum Beispiel Didier Défago, Peter Fill oder Fritz Strobl. Zum Ende dieses zweiten Kapitels ist der Stern von Beat Feuz aufgegangen. Ohne dass er dafür viel hätte arbeiten müssen. Sein Talent allein hat ihn dorthin gebracht.
Im nächsten Kapitel feiert Beat Feuz seine ersten Siege im Weltcup. Und er muss bös unten durch. Was ihn letztlich erst zu dem Meister seines Faches macht, der er heute ist. Die Überlegung, was aus Feuz geworden wäre ohne die vielen Knieoperationen, ist zwar müssig, aber doch auch reizvoll. Hätte er noch mehr gewonnen? Vielleicht nicht.
Zwar verpasst er wegen der ersten Verletzungen am linken Knie früh in seiner Weltcup-Karriere zwei komplette Winter. Und als schliesslich 2012 nur ein ganzes Team von medizinischen Spezialisten im Inselspital Bern eine Versteifung seines lädierten Kniegelenkes knapp verhindern kann, ist klar, dass alles was jetzt noch kommt, ein Geschenk ist.
Entsprechend gereift geht Feuz danach die nächsten Kapitel an. Immer noch sehr selbstbewusst, schlitzohrig und mit diesem einmaligen Gefühl für die Geschwindigkeit auf Skiern, aber irgendwie demütiger. Und mit Lebenspartnerin Kathrin Triendl an seiner Seite, die ihn mit der bedingungslosen Professionalität, mit der sie ihre eigene Skikarriere bestritten hat, tief beeindruckt und prägt.
In den Folgekapiteln sprengt der neue Beat Feuz Grenzen. Nicht mit der Anzahl Siege, da stehen ihm die elf Operationen im linken Knie und das deshalb nötige Dosieren im Weg. Aber mit dem strategisch so gewieften Anpeilen und Erreichen der grösstmöglichen Siege. Und mit der unerreichten Konstanz auf höchstem Niveau. 36 top-10-Ergebnisse hintereinander in einer Weltcup-Abfahrt, das hat vor Feuz noch niemand geschafft. Mit bisher 47 Abfahrtspodestplätzen ist er der in dieser Kategorie mit Abstand erfolgreichste männliche Abfahrer aller Zeiten.
Die grössten Erfolge in der Karriere von Beat Feuz
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Bild 1 von 22. 7. Februar 2022: Olympiasieg in Peking. Mit diesem Erfolg krönt Feuz seine Karriere endgültig. In Peking holt er sich vor Johan Clarey und Matthias Mayer Olympia-Gold. Bildquelle: Keystone/ Jean-Christophe Bott.
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Bild 2 von 22. 23. Januar 2022: Aller guten Dinge sind 3. Beat Feuz holt sich den 3. Triumph in Kitzbühel. Der Schangnauer jubelt über den Sieg, Marco Odermatt (l.) wird Zweiter. Bildquelle: EPA/CHRISTIAN BRUNA.
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Bild 3 von 22. 14. Februar 2021: WM-Bronze in Cortina d'Ampezzo. Das Team feiert Feuz zurecht: Dank wenigen Hundertstelsekunden Vorsprung vor Teamkollege Marco Odermatt holt der Schangnauer seine 3. WM-Medaille. Bildquelle: KEYSTONE/Jean-Christophe Bott.
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Bild 4 von 22. 24. Januar 2021: Feuz doppelt in Kitzbühel nach. 48 Stunden nach seinem Premieren-Triumph auf dem Hahnenkamm steht Beat Feuz schon wieder ganz zuoberst auf dem Treppchen. Es war zudem der 600. Weltcupsieg in der Geschichte des Schweizer Alpin-Teams. Bildquelle: EPA/CHRISTIAN BRUNA.
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Bild 5 von 22. 22. Januar 2021: Kitzbühel-Fluch beendet. Nach vier 2. Plätzen beendet Beat Feuz den Fluch in Kitzbühel. Der Schangnauer triumphiert am 22. Januar 2021 mit 0,16 Sekunden vor Matthias Mayer (AUT). Es war gleichzeitig die 500. Abfahrt der Weltcup-Geschichte. Bildquelle: KEY/EPA/CHRISTIAN BRUNA.
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Bild 6 von 22. 18. Januar 2020: 3. Heimtriumph in Wengen. Durch eine Verkürzung der Strecke lässt sich Feuz im Januar nicht beunruhigen. Er gewinnt zum 3. Mal nach 2012 und 2018 – vor Dominik Paris, der im 13. Anlauf erstmals auf dem Podest landet. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 22. 7. Dezember 2019: Feuz doppelt nach. Auf der «Birds of Prey» gewinnt der Schangnauer ein Jahr nach seinem letzten Abfahrtssieg erneut. Damit übernahm er die Führung im Abfahrtsweltcup. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 22. 30. November 2018: Schweizer Doppelsieg in Lake Louise. Der Sieg im November 2018 auf einer verkürzten Strecke in Lake Louise war speziell: Dank dem 2. Rang von Mauro Caviezel durfte sich Feuz über einen Schweizer Doppelsieg freuen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 22. 16. Februar 2018: Der «Kugelblitz» gewinnt Olympia-Silber. Nicht in seiner Paradedisziplin, sondern im Super-G jubelt Feuz. Einzig der Österreicher Matthias Mayer war in Pyeongchang schneller. Bildquelle: KEYSTONE/Alexandra Wey.
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Bild 10 von 22. 15. Februar 2018: Olympia-Bronze in der Abfahrt. Bereits einen Tag vor Silber durfte Feuz über Bronze in der Abfahrt jubeln. Es war die erste von insgesamt drei Olympia-Medaillen. Bildquelle: KEYSTONE/Gian Ehrenzeller.
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Bild 11 von 22. 27. Januar 2018: Sieg in Garmisch. In der letzten Abfahrt vor den Olympischen Winterspielen schlägt der «Kugelblitz» in Garmisch-Partenkirchen zu und gewinnt vor Vincent Kriechmayr (AUT) und Dominik Paris (ITA). Bildquelle: Keystone.
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Bild 12 von 22. 13. Januar 2018: Zweiter Sieg am Lauberhorn. Mit der Nummer 1 legt Beat Feuz am Lauberhorn eine Wahnsinns-Fahrt in den Schnee von Wengen. Und holt sich damit seinen zweiten Sieg in der Heimat. Bildquelle: Keystone.
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Bild 13 von 22. 25. November 2017: Sieg zum Saisonstart. Im ersten Abfahrtsrennen der Saison verweist Feuz den Österreicher Matthias Mayer und den Norweger Aksel Lund Svindal auf die weiteren Plätze. Bildquelle: Keystone.
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Bild 14 von 22. 12. Februar 2017: Abfahrts-Weltmeister! Noch hängt die Medaille zwar nicht um seinen Hals, die Fäuste sind trotzdem geballt. An der Heim-WM in St. Moritz krönt sich Feuz zum Weltmeister. 2 Hundertstelsekunden rettete er auf Erik Guay. Bildquelle: KEYSTONE/Peter Schneider.
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Bild 15 von 22. 17. März 2016: Der dritte Sieg im Super-G. Einen Tag nach seinem Sieg in der Abfahrt überzeugt Feuz auch im Super-G in St. Moritz und feiert zwei Erfolge innert zwei Tagen. Bildquelle: KEYSTONE/Gian Ehrenzeller.
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Bild 16 von 22. 16. März 2016: Sieg nach Rückkehr. Als erster Schweizer seit Januar 2014 gewinnt Feuz in St. Moritz wieder eine Abfahrt. Dazwischen lag eine lange Verletzungspause. Es sollte der Befreiungsschlag für den Schangnauer sein. Bildquelle: Keystone.
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Bild 17 von 22. 7. Februar 2015: Freude auch für den Teamkollegen. Beim überraschenden WM-Titel von Patrick Küng in Beaver Creek fuhr Feuz als Dritter aufs Podest und holte seine erste Medaille an Weltmeisterschaften. Gemeinsam jubelten sie auf dem Podest. Bildquelle: KEYSTONE/Jean-Christophe Bott.
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Bild 18 von 22. 2. März 2012: Sieg im Super-G in Kvitfjell. Zeitgleich mit dem Österreicher Klaus Kröll gewinnt Feuz in Kvitfjell den Super-G. Es ist neben einem Abfahrts-Sieg der zweite Triumph in Norwegen. Bildquelle: KEYSTONE/Gian Ehrenzeller.
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Bild 19 von 22. 11. Februar 2012: Sieg in Sotschi. Nur wenige Wochen nach dem Lauberhorn-Triumph feiert Feuz in Sotschi den 3. Abfahrtssieg. Bildquelle: Keystone.
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Bild 20 von 22. 14. Januar 2012: Ein Exploit in der Heimat. Zu Beginn des Jahres 2012 feiert Feuz an der Lauberhornabfahrt sensationell den Sieg. Er gewinnt mit fast einer halben Sekunde vor dem Österreicher Hannes Reichelt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 21 von 22. 16. Dezember 2011: Erster Sieg im Super-G. Jubeln will gelernt sein: Der junge Beat Feuz freut sich in Gröden über seinen ersten Sieg in einem Super-G. Bildquelle: AP Photo/Armando Trovat.
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Bild 22 von 22. 11. März 2011: Die Erfolgsgeschichte beginnt. Der 24-jährige Beat Feuz feiert in Kvitfjell den ersten Weltcupsieg seiner Karriere. Er gewinnt das Rennen vor dem Kanadier Erik Guay und Michael Walchhofer (AUT). Bildquelle: Keystone.
Und noch sind nicht alle sportlichen Episoden der Feuz-Saga zu Ende erzählt. Wenn auch fast, nachdem gestern das letzte Kapitel eingeläutet wurde. Der Rücktritt von Beat Feuz passt zu ihm. Er ist anders. Und bisher hat sich Feuz selber ja nicht zu seinem Karriereende geäussert. Er wird es an einer Pressekonferenz in Bormio am 26. Dezember tun, und er wird dabei Geschichten erzählen. Denn das kann er einfach. Deshalb wird es im Weltcup stiller werden, wenn Beat Feuz zurückgetreten sein wird. Wenn dieser Erzähler von grossartigen sportlichen und faszinierenden menschlichen Geschichten nicht mehr auf der Bühne stehen wird, am Ende seines langen Weges von Küblisbühl nach Kitzbühel.