Christian Salzmann schleppt sich keuchend die Treppe hoch. Seit seiner Covid-Infektion im Frühling 2020 leidet er an Panikattacken im Lift. Das beschwerliche Treppensteigen in den elften Stock nimmt er aber gerne in Kauf, denn dort oben werden seine Long-Covid-Symptome mit einer Blutwäsche behandelt.
Die Therapie hat er sich selbst verschrieben, denn offiziell anerkannte Methoden, um die Konzentrationsstörungen, den Nebel in seinem Kopf oder die Kurzatmigkeit zu behandeln, gibt es derzeit noch nicht.
Die Forschung steckt noch in den Kinderschuhen
Erst gut 100 Studien zur Erforschung von Therapien gegen Post Covid sind öffentlich registriert. Nur eine hat ihre Resultate schon veröffentlicht – ohne wirklichen Durchbruch.
Betroffene sind darum oft auf experimentelle Versuche und den Off-Label-Use von Medikamenten angewiesen. Eine unbefriedigende Situation, auch für Long-Covid-Spezialist Gregory Fretz. «Forschung braucht Zeit. Das Warten ist für Betroffene wie Betreuende nicht einfach.»
H.E.L.P Apherese: Die Blutwäsche
Unterdessen liegt Christian Salzmann im Therapiezimmer. In beiden Unterarmen steckt eine Kanüle. Auf der einen Seite wird sein Blut abgesaugt, in einer Maschine gefiltert und dann in den anderen Arm geleitet. Gegen vier Stunden dauert die Prozedur, bei der drei Liter Blut gewaschen werden.
Die Idee dahinter: Die Blutwäsche soll die Gerinnungssituation des Bluts verbessern und feine Verklumpungen aufsplitten, die bei Long-Covid-Patienten gefunden wurden. Zudem werden Entzündungsstoffe herausgefiltert, was die Heilung der Gefässinnenhaut fördern soll.
In Deutschland gibt es von 170 Personen positive Erfahrungsberichte. In der Schweiz ist Christian Salzmann einer der Ersten, der dieser experimentellen Methode eine Chance gibt. Nierenspezialistin Renata Linkesch ist vom Nutzen der Methode überzeugt, obwohl es noch keine Studie zur Wirksamkeit gibt.
Zurzeit geht man davon aus, dass sechs bis zehn Behandlungen nötig sind – für je 2000 Franken pro Behandlung. Die Kosten werden von der Krankenkasse nicht übernommen.
Off-Label-Use: Arzneien anderes nutzen
Auch Tobias Grossmann experimentiert auf eigene Faust. In den spanischen Medien erfuhr er von einem Arzt, der die Long-Covid-Symptome seiner eigenen Familie mit dem Asthma-Medikament Montelukast abschwächen konnte.
Zweimal musste Grossmann den Hausarzt wechseln, bis er einen fand, der ihm das Asthmamittel verschrieb. Der Erfolg war bemerkenswert: «Ich habe es dann an einem Tag genommen, an dem es mir wirklich schlecht ging – und fühlte mich vier Stunden einfach spitze.»
Ebenfalls beliebt bei Long-Covid-Betroffenen: Antihistaminika, also Tabletten, die man sonst gegen Allergien einsetzt. Auch Long-Covid-Experte Gregory Fretz verschreibt sie. «Wägt man Nutzen und Risiko ab, spricht aus unserer Sicht vieles dafür, dass man das probieren kann. Aber es ist eben ein Probieren.»
An der deutschen Universitätsklinik in Erlangen versucht man Long Covid mit dem noch nicht zugelassenen Herzmedikament BC 007 zu therapieren. In einem experimentellen Ansatz wurde eine Handvoll Betroffener erfolgreich behandelt. Dies dank eines kleinen DNA-Bruchstücks, welches die Autoantikörper im Blut neutralisieren kann.
Nun ist eine Studie zur Wirksamkeit geplant. Selbst wenn die Resultate überzeugen werden, das Wundermedikament gegen Long Covid ist noch nicht auf dem Markt – wirksame und zugelassene Therapien lassen auf sich warten.