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Wie viele Antikörper habe ich? – Imunmunsystem unter der Lupe
Aus Puls vom 20.09.2021.
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Coronavirus Covid-19: Wie fit ist mein Immunsystem?

Was es mit dem Immunstatus auf sich hat und weshalb die Zertifikatsdauer für Geimpfte und Genesene nicht dieselbe ist.

«Wie gut schützt mich mein Immunsystem im Moment vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus?» Die Frage treibt Ungeimpfte seit Monaten ebenso um wie Covid-19-Genesene.

Und Geimpfte fragen sich mit Blick auf die bald endende Gültigkeitsdauer der ersten ausgestellten Zertifikate: «Würde es nicht Sinn machen, vor einer erneuten Impfung einen Antikörpertest zu machen, um herauszufinden, wie gut wir noch immunisiert sind?» Den dritten Piks könnte man sich ja sparen, wenn das Immunsystem noch fit genug ist.

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«Ich weiss zwar, wie viele Antikörper ich habe. Aber was bringt mir das?»
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Entsprechende Fragen wurde im «Puls»-Chat Anfang September gestellt. Und es meldeten sich dort auch Fragesteller zu Wort, die bereits einen solchen Test gemacht hatten – die Resultate aber wenig aussagekräftig fanden. «Da ist herausgekommen, dass es etwa 1500 Antikörper hat», schrieb zum Beispiel Roberto Rizza. «Aber was heisst das ohne Richtwerte?»

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«Das Problem liegt darin, so einen Test richtig zu interpretieren.»
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«Da liegt genau das Problem», bestätigt Immunologe Christian Münz, Leiter Immunologie der Taskforce des Bundes, auf Anfrage des SRF-Gesundheitsmagazins «Puls». Von Antikörpertests zur Feststellung des Immunstatus hält er nicht viel. «Der Test an sich ist recht einfach durchzuführen, aber den Level der im Serum gefundenen Antikörper als ‹schützend› oder ‹nicht schützend› einzustufen, ist im Moment noch sehr schwierig.»

Das Problem ist nicht nur der fehlende Schwellenwert. Es gibt auch keinen standardisierten Test. Antikörper-Bluttests werden von Labors, Apotheken und Hausarztpraxen in zahlreichen verschiedenen Formen angeboten – alle mit ihrer eigenen Werte-Skala.

Für wen sind Tests empfohlen?

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Auch wenn es noch keine standardisierten Verfahren und Werte gibt: Die Nachfrage nach Antikörper-Tests ist gross, gerade bei Menschen mit einem schwachen oder geschwächten Immunsystem. Das Bundesamt für Gesundheit empfiehlt solche Tests aber nur einer ganz spezifischen Gruppe von Menschen:

  • Personen mit schwer immun-supprimierenden Behandlungen
  • Personen mit bestimmten, angeborenen Immundefekten
  • Empfängern von Organtransplantationen

Die genaue Empfehlung finden Sie in diesem Artikel, in dem auch das Original-Dokument des BAG als PDF zum Download enthalten ist.

Wird es einmal den Grenzwert geben, der eine Art «Immunstatus» für alle definiert?

Britische und australische Forschende haben sich zwar bereits bemüht, herauszufinden, welches Mass an Antikörpern einen Schutz vor Covid-19 bedeutet. Die Werte sind aber für die Impfstoff-Forschung gedacht. Und sie erlauben laut den Studienautoren ausdrücklich keine Rückschlüsse darauf, ob eine einzelne Person geschützt ist oder nicht.

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«Ein Problem ist, dass es nicht um einen Ja/Nein-Test geht, sondern um eine quantitative Aussage. Wie viel Antikörper braucht es zum Schutz?»
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Christian Münz weist auf eine zentrale Herausforderung hin: «Es geht dabei nicht um eine Ja-Nein-Aussage, sondern um eine quantitative Aussage: Wie viele Antikörper braucht man tatsächlich, um geschützt zu sein?» Die verschiedenen eingesetzten Tests müssen deshalb auch standardisiert werden, um zu vergleichbaren Ergebnissen zu kommen. «Und dann müsste man sich über mehr experimentelle und klinische Studien auf einen Wert festlegen.»

Er ist aber zuversichtlich, dass man sich mit der Zeit auf einen Wert einpendeln wird, der für die meisten Personen aussagekräftig ist.

Sind Genesene schlechter geschützt als Geimpfte?

Auch wenn die Frage des Grenzwerts noch nicht abschliessend geklärt ist: Im Alltag hat sie bereits konkrete Auswirkungen.

Zum Beispiel für Bettina Ringger, die im Frühjahr eine milde Corona-Erkrankung durchgemacht hat und nun vor der Tatsache steht, dass ihr Zertifikat als Genesene demnächst abläuft. Nach sechs Monaten und nicht wie bei Geimpften erst nach zwölf. Das findet sie ungerecht: «Es gibt Studien, die sagen, dass Genesene besser geschützt sind als doppelt Geimpfte. Aber jetzt reden alle nur vom Impfen!»

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«Dass mein Zertifikat nur halb so lange gültig ist, finde ich ungerecht.»
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Noch im Juni dieses Jahres hielt die Schweizer Covid-Wissenschafts-Taskforce fest, dass der Schutz nach einer Infektion kürzer sei als nach einer Impfung.

Ist die kürzere Gültigkeitsdauer wissenschaftlich noch gerechtfertigt? Monica Gandhi, Infektiologin an der University of California in San Francisco, sagt: nein. «Der aktuelle Wissensstand ist widersprüchlich. Wir haben sowohl Daten in die eine wie in die andere Richtung. Es gibt also Studien, die zeigen, dass sich Genesene seltener wieder anstecken als Geimpfte. Und es gibt Studien, die zeigen, dass sich Genesene häufiger anstecken als Geimpfte.»

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«Der aktuelle Stand des Wissens ist widersprüchlich.»
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Bei dieser Datenlage müsste man die Zertifikatsdauer von Geimpften und Genesenen eigentlich angleichen, sagt heute auch Christian Münz, der die Einschätzung der Taskforce damals im Juni mitverfasst hatte. Doch wie lange sollten dann die beiden Zertifikate gelten? Das komme auf den Zweck des Zertifikats an: «Soll es etwas über den Schutz vor schweren Infektionen aussagen, könnten die Zertifikate der Genesenen tatsächlich verlängert werden.» Wenn man es aber so einsetzen möchte, dass es zu keinen Ansteckungen kommt, «dann müsste man wohl die Zertifikatdauer der Geimpften etwas heruntersetzen.»

Zertifikat hin oder her: Christian Münz wie Monica Gandhi raten Genesenen zu einer Impfdosis. Damit seien sie noch besser geschützt.

Bettina Ringgers Frust über ihr früher ablaufendes Zertifikat kann die Infektiologin Monica Gandhi dennoch verstehen: «Wir möchten das Vertrauen in die öffentliche Gesundheitsversorgung steigern, aber gewisse Entscheidungen haben eher Misstrauen geweckt. Etwa, dass wir die natürliche Immunität zu wenig anerkennen.»

«Es war nie die Absicht, Druck auf Ungeimpfte auszuüben.»

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Legende: srf

Wird die natürliche Immunität nach einer Covid-Genesung unterschätzt? Werden die Zertifikatsdauern einander angeglichen? «Puls» fragte nach bei Patrick Mathys, Leiter der Sektion Krisenbewältigung im Bundesamt für Gesundheit.

SRF: Die Zertifikate von Genesenen sind nur halb so lange gültig wie die von Geimpften. Das ist angesichts der unsicheren Studienlage doch ziemlich unfair.

Patrick Mathys: Das mag im Moment als ungerecht wahrgenommen werden. Die Studienlage ist zum Teil tatsächlich unklar. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass im letzten halben Jahr eine neue Variante auf uns zugekommen ist, die ganz vieles wieder in Frage gestellt hat. Und: Wir schauen die Studien ganz genau an und schauen auch, ob es allenfalls Anpassungen braucht – sei es bei den Genesenen oder bei den Geimpften.

Sie könnten sich also vorstellen, die Zertifikatsdauer sowohl zu verkürzen als auch zu verlängern?

Das hängt von der Datenlage ab. Ich gehe nicht davon aus, dass es eine Verkürzung geben wird bei den Geimpften. Was man aber sicher genau anschauen muss, sind die sechs Monate bei den Genesenen.

Bei wie vielen Genesenen kommt es zu Wiederansteckungen, die eine Spitaleinlieferung nötig machen? Weiss man das?

Wir wissen bei schweren Verläufen – also Leuten, die ins Spital kommen müssen – ob es sich um wieder infizierte Genesene, Geimpfte oder teilweise Geimpfte handelt. Die Zahlen sind relativ eindeutig: Unter 5000 Fällen, die wir geprüft haben, waren nur vier doppelt Geimpfte und einige mehr einfach Geimpfte. Aber 32 Personen, die bereits einmal angesteckt waren.

Warum liest man diese Zahlen nirgends? In den Statistiken sieht man immer nur die Impfdurchbrüche bei den Geimpften.

Bis anhin sahen wir dafür keine Notwendigkeit. Aus epidemiologischer Sicht sind wir vor allem daran interessiert, bei den Geimpften zu wissen, ob es zu Impfdurchbrüchen kommt. Ob der Impfstoff tatsächlich schützt, oder ob es dort Probleme gibt.

Aber die Genesenen haben andere Fragen. Das sehen Sie ein, oder?

Die Genesenen haben andere Fragen in Bezug auf die Zertifikatsdauer. Und wie gesagt schauen wir die Daten regelmässig an. Wenn es da genug Evidenz gibt, wird es Anpassungen geben.

Wenn es darum geht, das Vertrauen in die Gesundheitsbehörden aufrechtzuerhalten, würde doch die Publikation dieser Daten helfen?

Nur mit der Spitalüberwachung wird es keine Anpassung bezüglich Genesenenstatus im Zertifikat geben. Es braucht viel, viel umfassendere Studien. Es braucht auch Studien, in denen die Immunantworten genau angeschaut werden. Sobald diese Daten da sind und darauf hinweisen, dass es wirklich eine sinnvolle Verlängerung für die Genesenen gibt, wird das sicher gemacht – weltweit.

Man hat auch ein wenig den Verdacht, dass das Zertifikat für die Genesenen nur sechs Monate gilt, um sie zum Impfen zu motivieren...

Nein. Das ist sicher nicht der Fall. Die Daten waren relativ klar. Inzwischen gibt es Studien, die man genauer betrachten muss vor dem Hintergrund, dass Delta die Situation verändert hat. Aber es war sicher nie eine Absicht, Druck auf Ungeimpfte auszuüben.

Und wann darf man mit einem Entscheid rechnen?

Das kann ich Ihnen nicht sagen. Es wird ein laufender Prozess sein. Und wir dürfen auch nicht vergessen, dass wir nicht völlig unabhängig sind. Wenn wir das Zertifikat weiter kompatibel halten wollen zur EU – und einer der grossen Vorteile des Zertifikats ist ja die Bewegungsfreiheit innerhalb von Europa –, sind wir auch dort auf 180 Tage limitiert. Das können wir nicht einfach eigenmächtig anpassen, wenn das Zertifikat weiterhin in Europa gültig sein soll.

Die Gültigkeitsdauer in der Schweiz könnte man aber doch selber anpassen und einfach ein Reiseattest mitgeben?

Das Zertifikat muss kompatibel bleiben. Das wurde so festgelegt. Ob es allenfalls irgendwann einen Unterschied geben wird, werden wir sehen. Im Moment sicher nicht.

Das Gespräch führte Daniela Lager

Puls, 20.09.2021, 21:05 Uhr

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