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Zwischen Omega-3 und PFAS Fische essen: Gesund oder riskant?

Fische gelten wegen ihrer Nährwerte als Superfood. Doch sie beinhalten auch viele Schadstoffe. Das sagen Fachleute.

Daniela Mistelis ganzes Leben dreht sich ums Fischen. Schon als Kind hat ihr Vater die Leidenschaft für dieses Hobby in ihr geweckt. Inzwischen ist das Hobby auch zum Beruf geworden: Die ehemalige Bankerin betreibt mit ihrem Mann ein Importgeschäft für Angel-Artikel und arbeitet als Teilzeit-Redaktorin für das Magazin «Petri Heil». 

Fisch steht auch oft auf ihrem Speiseplan: «Ich esse sehr regelmässig Fisch. Ein- bis zweimal pro Woche, je nachdem, was ich gerade fange», sagt sie, während sie in ihrem Ruderboot sitzt und an einem eisigen Januarmorgen auf Felchen aus dem Greifensee hofft. Fische aus dem Supermarkt esse sie nicht, nur selbst gefangene, erzählt Misteli stolz. Doch wie gesund ist der selbst gefangene Fisch tatsächlich?

Besorgniserregende Meldungen über Schweizer Fische 

Vom See direkt auf den Teller. Frischer geht es nicht. Lokaler Wildfang – das muss gesund sein. Doch immer wieder lassen Meldungen das Gegenteil erahnen. «Fische in Basel mit Chemikalie PFAS verseucht», titelte der Blick im September 2024. Bereits ein Jahr zuvor ergab ein «Kassensturz»-Test in Proben aus diversen Schweizer Seen ebenfalls hohe PFAS-Belastungen.

Auch Meldungen über erhöhte Pestizidkonzentrationen sind keine Seltenheit: Eine Untersuchung des WWF zeigte 2017, dass Bachforellen in mehreren Kantonen mit Schadstoffen belastet waren. Naturschutzorganisation bezeichnete im «Tagesanzeiger» die Resultate als «erschreckend». Mit den Worten «schlimmer als befürchtet» kommentiert 2019 der Schweizerische Fischerei-Verband die Pestizid-Belastung von Schweizer Bächen.

Unsichtbare Gefahr: Wie PFAS unsere Gesundheit gefährden

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PFAS steht für «Per- und polyfluorierte Alkyl-Substanzen». Umgangssprachlich werden sie auch Ewigkeitschemikalien genannt, da sie in der Umwelt nicht mehr abgebaut werden können.

Aufgrund ihrer wasser- und fettabweisenden sowie temperaturbeständigen Eigenschaften finden sie in zahlreichen Industriebereichen und Produkten Anwendung – etwa in Pfannenbeschichtungen, Lebensmittelverpackungen, Kosmetika und Textilien.

Verschiedene gesundheitliche Beeinträchtigungen und Erkrankungen werden mit hohen PFAS-Werten im Blut verbunden, darunter erhöhte Cholesterinwerte, reduzierte Nierenfunktion, veränderte Spiegel von Schilddrüsenhormonen und Sexualhormonen oder geringeres Geburtsgewicht von Säuglingen.

Meldungen wie diese geben auch Daniela Misteli zu denken: «Dadurch entsteht schon eine gewisse Verunsicherung», sagt sie. Weiterhin Fisch essen, will sie trotzdem: «Am meisten Negatives liest man ja über Zuchtfisch. Ich hoffe, der Wildfisch aus der Schweiz ist gesünder.»  

Misteli möchte es genauer wissen und lässt sich auf Anfrage der Gesundheitssendung Puls auf ein Experiment ein: Eine von ihr gefischte Greifensee-Felche soll auf mögliche Schadstoffe überprüft werden. Die zufällig entnommene Probe wird in einem spezialisierten Labor für chemische und mikrobiologische Analysen auf PFAS, Schwermetalle und weitere Mikroverunreinigungen untersucht. 

Erst in einigen Tagen werden die Ergebnisse vorliegen. Daniela Misteli wagt bereits jetzt eine Prognose: «Ich erwarte, dass gewisse Giftstoffe enthalten sind, aber ich denke, dass der Verzehr unbedenklich ist, solange man nicht jeden Tag Fisch isst.» 

Problematischer Lieblingsfisch der Schweizerinnen und Schweizer  

Frische Fische aus Schweizer Gewässern sind für die meisten Konsumentinnen und Konsumenten eine Seltenheit. 96 Prozent des hierzulande konsumierten Fischs wird importiert. Mit Abstand am häufigsten: Lachs. Gemäss Zahlen der Eidgenössischen Zollverwaltung machte Lachs im vergangenen Jahr 46 Prozent der Importfische aus.  

Häufig stammt er aus Lachszuchtfarmen – ein grosses Problem für Umwelt und Gesundheit. Da Lachse in den Gehegen kaum Platz haben, sind sie höchst anfällig für Krankheiten und Parasiten. Um diese zu bekämpfen, ist der Einsatz von Chemikalien in den grossen Zuchtfarmen kaum zu vermeiden. Hinzu kommt, dass sich Zuchtlachse in ihren Käfigen deutlich weniger bewegen als Wildlachse. Die Folge: Ihr Fettgehalt ist wesentlich höher als der von Wildlachsen. Und genau dort werden Schadstoffe wie Pestizide gespeichert.

Für Christine Brombach, Professorin für Ernährung und Konsumentenforschung an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, ist deshalb klar: «Lachs esse ich inzwischen nicht mehr. Ich gönne ihn mir höchstens an Weihnachten, aber dann auch möglichst zertifizierten Wildlachs.»  

Nebst Lachs ist auch Thunfisch besonders problematisch. Jüngstes Beispiel: Das Westschweizer Konsumentenmagazin «A Bon Entendeur» hat in der Schweiz erhältliche Thunfischdosen getestet und teils bedenklich hohe Quecksilberwerte gefunden. Quecksilber kann im Körper das Immunsystem, die Leber, Nieren oder das Zentralnervensystem schädigen. 

Raubfische wie Thunfisch sind besonders stark mit Schadstoffen wie Schwermetallen belastet. Deshalb rät Ernährungsexpertin Brombach: «Man sollte darauf achten, möglichst kleine Fische wie Sardinen oder Makrelen zu essen.» Denn grosse Raubfische stehen an der Spitze der Nahrungskette und ernähren sich von kleineren Fischen. Dadurch reichern sich in ihnen die giftigen Stoffe. 

Tipps für gesünderen Fischkonsum  

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  • 1 bis 2 Portionen Fisch von 100 bis 120 Gramm pro Woche gemäss Empfehlung Schweizerische Gesellschaft für Ernährung SGE. 
  • Meerfische und einheimische Fische aus nachhaltigem Wildfang oder nachhaltigen Aquakulturen kaufen. 
  • Kleine Fische bevorzugen, da sie weniger mit Schwermetallen belastet sind als Raubfische. 
  • Die Aufrechterhaltung der Kühlkette ist beim Lebensmittel Fisch besonders wichtig, denn der Protein- und Wassergehalt bietet ein ideales Umfeld für Bakterien und Parasiten. Fische sollten deshalb immer in einer Kühltasche transportiert und im Kühlschrank im unteren Bereich, idealerweise zwischen 0 und 4 Grad Celsius, gelagert werden.
  • Frischen Fisch möglichst rasch konsumieren, tiefgekühlten Fisch vor der Zubereitung möglichst schonend auftauen.

Doch wie steht es um die Schwermetallbelastung von Schweizer Fischen? Süsswasserfische seien weniger betroffen als Salzwasserfische, sagt Lothar Aicher, Toxikologe am Schweizerischen Zentrum für Angewandte Humantoxikologe. «Je älter und grösser so ein Fisch wird, umso stärker ist die Belastung mit Schwermetallen.» 

Felchen-Stichprobe: die Resultate 

Aicher hat auch den Laborbericht der Felchen-Probe von Daniela Misteli aus dem Greifensee genauer untersucht. Die Resultate sind inzwischen eingetroffen. Die erste Erkenntnis: Es wurden Schwermetalle nachgewiesen. Darunter Arsen, Blei und Quecksilber. Den Toxikologen beunruhigt dies allerdings nicht, da die gemessenen Konzentrationen zu gering seien: «Nach derzeitigen Standards ist das tolerierbar.»  

In der Analyse wurden auch PFAS nachgewiesen, die sogenannten Ewigkeitschemikalien. Die Werte in der Felchen-Probe liegen zwar weit unter den von der Europäischen Union vorgeschriebenen Grenzwerten. Dennoch sollte selbst ein Fisch mit niedrigen PFAS-Werten nur in kleinen Mengen verzehrt werden: «Ich habe das ausgerechnet: Bei diesen Werten darf ich ungefähr 100 Gramm Fisch pro Woche essen», so Aicher.  

Und wie fällt das Gesamtfazit des Toxikologen aus? «Ich bin positiv überrascht.» Er hätte persönlich keine Bedenken, den untersuchten Felchen-Fang zu verspeisen.  

Der Felchen-Test ist nur eine zufällige Stichprobe. Generelle Rückschlüsse auf gesundheitliche Risiken von Schweizer Süsswasserfischen lassen sich keine ziehen. Dennoch bestätigt das Resultat eine Faustregel: «Die Felche ist ein relativ kleiner Fisch mit einer eher kurzen Lebensdauer. Dieser häuft automatisch weniger Schadstoffe an. Also ein Plus für den regionalen, kleinen und fettarmen Fisch», erklärt Aicher. 

Die Erkenntnisse der Analyse decken sich mit den Erwartungen von Daniela Misteli. Trotzdem ist der leidenschaftlichen Fischerin die Erleichterung über die Resultate ihrer Stichprobe anzusehen. Mit einem Strahlen im Gesicht sagt sie: «Für mich ist dieses Resultat sehr wichtig.» 

Puls, 27.01.2025, 21:05 Uhr

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