Powernap, Nickerchen, Siesta, Mittagsschlaf: Namen hat das kurzzeitige Wegdriften so einige – übertroffen wird diese Vielfalt nur von den positiven Eigenschaften: Es soll leistungsfördernd wirken, gut fürs Immunsystem sein und das Herz stärken. Komisch also, dass die Siesta hierzulande immer noch mit Imageproblemen zu kämpfen hat.
85 Prozent der Säugetiere schlafen polyphasisch – also mehrmals täglich. Auch Kleinkindern und älteren Menschen reicht der Nachtschlaf nicht aus: Sie legen sich mittags ein zweites Mal hin. Nur Erwachsene schlafen vorwiegend monophasisch. Die aktuelle Studienlage zeigt allerdings, dass wir das nochmals überdenken sollten.
1. Siestas machen uns kreativ
Ein kurzes Einnicken kann bewusst für kreative Ideen und Lösungen genutzt werden, wie eine im Februar publizierte Studie der Pariser Sorbonne-Universität zeigt. 100 Testpersonen mussten eine mathematische Aufgabe lösen – vor und nach einer 20-minütigen Pause. Die Pause sollten die Probanden mit geschlossenen Augen verbringen, ausgestattet mit einer Flasche in der Hand, die herunterfiel, sobald sie eindösten.
Die Untersuchung zeigte: Die Personen, die in der Einschlafphase durch die runtergefallene Flasche geweckt wurden, lösten die Aufgabe dreimal häufiger als die Personen, die wach geblieben oder ganz eingeschlafen sind. Eine Erklärung dafür liefert die «Hypnagogie», einen Zustand, den wir kurz vor dem Einschlafen erreichen, eine Art Halluzination.
2. Powernaps erhöhen unser Toleranzlevel bei Frust
In der Mittagspause Schäfchen zählen? Tun Sie’s! Eine Untersuchung der University of Michigan legt nahe, dass das unsere Produktivität steigern kann: In der Untersuchung mussten die Probandinnen und Probanden in einem Labor diverse mühsame Aufgaben und Tests absolvieren. Ausserdem gab es zahlreiche Fragen zum Schlafverhalten und Gemütszustand.
Nachdem die Teilnehmenden fertig waren, durften die einen nappen, die anderen mussten sich in dieser Zeit ein Video anschauen. Anschliessend verkündeten die Forschenden, dass die Tests noch einmal absolviert werden müssen und beobachteten, wie sich die Teilnehmenden verhielten: Die Versuchspersonen, die zwischendurch ein Nickerchen machen durften, lösten die Aufgabe mit mehr Gelassenheit und blieben länger am Ball.
3. Nickerchen gleichen Schlafmangel aus
Durch zu wenig Schlaf gerät unser Hormonsystem aus der Bahn: Ein erhöhter Cortisolspiegel und diverse Entzündungsreaktionen sind die Folge. Forschende der Universität Descartes-Sorbonne Paris Cité konnten im Jahr 2015 allerdings zeigen, dass das kurze Schlummern diese Effekte wieder ausgleichen kann.
Nach einer kurzen Nacht (zwei Stunden) war bei allen Studienteilnehmenden die Noradrenalin-Konzentration um das 2.5-Fache angestiegen. Das Stresshormon erhöht die Herzfrequenz, den Blutdruck und den Blutzucker. Das Erstaunliche: Es gab auch Teilnehmende, die nappen durften – bei ihnen sanken diese Werte nach einem 20-minütigen Schläfchen wieder auf Normalniveau. Durch einen kurzen Power Nap lässt sich fehlende Nachtruhe also für kurze Zeit ausgleichen.
4. Der Mittagsschlaf stärkt unser Herz
Menschen, die regelmässig ein Nickerchen einlegen, haben ein 37 Prozent geringeres Risiko, an Herz-Kreislauf-Krankheiten zu sterben als Personen, die das nicht tun. Das Wort «regelmässig» ist hier entscheidend.
Laut Lausanner Forschenden können Menschen, die ein- bis zweimal pro Woche Mittagsschlaf halten, das Risiko für Infarkte um fast die Hälfte vermindern – im Gegensatz zu denen, die sich mittags nie hinlegen. Wer allerdings täglich nappt, hat ein nahezu ähnlich hohes Risiko wie die, die am Nachmittag gar keine Pause einlegen. Gesund ist also nicht nie, aber auch nicht jeden Tag zu schlummern. Klingt kompliziert, ist aber mit einer kleinen Gebrauchsanweisung umsetzbar.
Die Forschenden vermuten, dass der gelegentliche Powernap deshalb gesund sei, weil er «als physiologische Kompensation nach zu wenig Schlaf den Stresspegel senkt und so zu einem verminderten Herzkreislaufrisiko beiträgt», wie sie in ihrem Abstract schreiben.