Er erzählt unlustige Witze, sie trägt wieder einen zu kurzen Rock, der völlig aus der Mode ist. Manchmal schämt man sich sogar für sich selbst, wenn man sich für seinen Partner oder seine Partnerin schämt.
Das leuchtet der SRF-Ratgeberpsychologin und Psychotherapeutin Sandra Figlioli-Hofstetter ein. «Das Fremdschämen sagt mehr über uns selbst aus als über die Person, für die wir uns schämen.» Wir gehen nämlich von der Annahme aus, dass sich jemand in einer bestimmten Situation bestimmt schämen würde.
Fremdschämen gibt es erst seit 2009
Sich für jemanden zu schämen, das tut man wohl schon seit Menschengedenken. Das Verb «fremdschämen», allerdings fand 2009 Eingang in den Duden und war damit erst kurz vorher in unserem aktiven Wortschatz etabliert.
Kein Wunder, ist das Phänomen bis zu diesem Zeitpunkt auch wissenschaftlich nicht untersucht worden.
Sage ich etwas?
Mutiert der Partner an einer Party zum Alleinunterhalter, gehe es darum, dass man den Partner nicht kritisiert, sondern die Ursache für das Fremdschämen bei sich selbst suche, so die Psychotherapeutin.
«Warum ist mir diese Situation peinlich? Warum stört mich das?» Es gehe darum, dass man lerne, mit dieser Situation umzugehen. Unabhängig davon, dass der Partner Flachwitze erzählt, die man selbst nicht lustig findet.
Und wenn sich der Partner oder eine Freundin ins Abseits manövriert?
Fremdschämen kann man sich auch für Freunde, Bekannte, Kollegen oder Unbekannte, wie die Anekdote mit dem Toilettenpapier aus der Studie zeigt. Häufig schämt man sich aber für den eigenen Partner oder die eigene Partnerin. Geht ihre Alleinunterhalterqualität an einer Party so weit, dass sich alle schämen, empfiehlt die Psychologin, die Partnerin darauf aufmerksam zu machen.
«Eine authentische und gute Partnerschaft sollte dies aushalten können.» Am besten spricht man die Situation später in aller Ruhe an. Wie immer hat die Psychologin auch die richtigen Sätze parat: «Warum hast Du Dich so verhalten?» Oder: «Darf ich Dir eine Rückmeldung geben, wie das auf mich gewirkt hat? Und vielleicht auch auf andere?» Eine Partnerschaft sollte im besten Fall daran wachsen, so die Psychotherapeutin.
Wenn es mich selbst einschränkt
Sind die Alleinunterhalterqualitäten des Partners so ausgeprägt, dass man nicht mehr mitgeht an eine Party, empfiehlt Figlioli-Hofstetter ebenfalls ein klärendes Gespräch.
Und etwas Wichtiges darf man auch nicht vergessen: «Fremdschämen hat immer auch damit zu tun, ob man sich mit diesem Menschen identifiziert oder nicht.» Kein Wunder, schämen wir uns, nachdem der Zauber der Verliebtheit vorbei ist, gerade für unsere Liebsten.